Es geht mal wieder um Gentrifizierung und um gefühlte Verdrängung. Auch geht es um Entscheidungen, welche über den Köpfen der Bevölkerung getroffen werden. Die Vereinsmitglieder haben sich ein Ziel gesetzt (173.000 Unterschriften), und wollen mit aller Kraft einen Volksentscheid erzwingen. Doch dass ein Volksentscheid auch scheitern kann, mussten zuletzt die Aktivisten des „Berliner Energietischs“ erfahren.
Das Tempelhofer Feld hat eine Fläche von 386.000 qm² . Davon sollen nun ein paar Hektar an den äußeren Rändern bebaut werden. So sieht es der Plan der Stadtverwaltung vor. Auf circa 10 Prozent der Fläche sollen 4.800 neue Wohnungen gebaut werden. Aus einer riesigen Parkfläche würde damit eine fast genauso riesige Parkanlage werden. Wozu also die Aufregung?
Was man hat, das teilt man nicht gern mit anderen. Schon gleich gar nicht ein solch großes Allgemeingut wie das Tempelhofer Feld. Erholung und Natur ist wichtig. Doch ebenso wichtig ist ausreichend Wohnraum, und genau davon mangelt es im Innenstadtbereich. Wohnraum wird knapp, was zu steigenden Mieten führt und zu Spannungen bei bestehenden Mietverhältnissen. Das Problem der Gentrifizierung existiert nicht erst seit gestern.
Das Problem mit knappem Wohnraum lässt sich über zwei Arten lösen. Erste Möglichkeit: man baut in die Weite. Für Berlin bedeutet dies, dass die umliegenden Orte der Brandenburger Landkreise davon profitieren. Der Berliner Speckgürtel wächst seit Jahren unaufhaltsam und entwickelt ganz spezielle Probleme. Jeden Tag pendeln Hunderttausende vom Speckgürtel in die Innenstadt. Nahverkehrslinien und Einfallstraßen müssen sukzessive erweitert werden. Und wichtige Steuern wie die Lohn-, Einkommens- und Grunderwerbssteuer fallen in den Landkreisen an.
Eine andere Möglichkeit dem knappen Wohnraum entgegen zu steuern, ist der Bau von Hochhäusern. Es gibt viele Metropolen auf dieser Welt, welche diese Entwicklung bereits vollzogen haben oder im Wandel dazu sind. In Berlin gibt es derzeit nur ein paar nennenswerte Wohnhochhäuser: in der Gropiusstadt das Ideal; mit 32 Etagen sowie eines mit 28 Etagen, ein 28-Stockwerker in Marienfelde sowie einige mit 27 Etagen in Mitte. Glücklich sind wohl nur die wenigsten; sowohl der Bewohner wie der Nachbarn. Denn Hochhäuser lösen nicht nur Platzprobleme, sie schaffen auch neue. Meist ist die Kriminalität und der Vandalismus höher, Verschattung, Parkplatzprobleme, und vieles mehr.
Das Feld des ehemaligen Flughafens Tempelhof erscheint daher fast schon wie eine glückliche Fügung. Dank Wiedervereinigung und Ausbau des ehemaligen Ostflughafens Schönefeld, konnte und wollte man den Flugbetrieb in Tempelhof einstellen. Am 26. Juni 2010 hob das letzte Flugzeug ab. Seitdem ist eine Fläche von fast annähernd 2 Kilometer auf 2 Kilometer frei geworden, in allerbester Stadtlage innerhalb des S-Bahnrings. Und was ist darauf in den letzten drei Jahren entstanden? Grillwiesen, eine Wiese fürs Hundetraining, eine andere für Ballspiele, Sportwege für Läufer, Inline-Skater und Radfahrer. Und ein paar Hobbygärtner dürfen auf kleinen Felder ihr Gemüse anpflanzen.
Die Befürworter der Initiative „THF-100%“ bemängeln, dass ein großer Rückzugsort für Mensch und Tier mit der geplanten Randbebauung zerstört wird. Von vielen ist zu lesen, dass das Tempelhofer Feld als die „grüne Lunge“ der Stadt bezeichnet wird. Dieses Feld ist jedoch alles andere als eine grüne Lunge. Viele Tausend Quadratmeter sind betonierte (Ex-)Startbahn, Rollfeld oder Zugangsweg. Der Baumbestand ist fast mit einer Hand erfassbar und die Vegetation ist geprägt vom jahrelangen Flugbetrieb, von Cerosin und Öl. Die einzige „grüne Lunge“ ist der Tiergarten, der schon seit jeher als innerstädtischer Wald gepflegt wird.
Die Aktivisten haben auch leicht hanebüchene Argumente im Repertoire: seltene Schmetterlinge und Heuschrecken würden verschwinden. Vielleicht findet sich auch noch die seltene Steinlaus. Eventuell tauchen bei dieser Suche auch noch die fehlenden 50.000 Unterschriften auf, welche für ein erfolgreiches Volksbegehren notwendig sind. Dies ist die geschätzte Summe an fehlenden Stimmen, wenn man die übliche Fehlerquote von den aktuell 157.000 Stimmen abzieht.