Die Idee eines freien W-LAN-Netzes ist eine tolle Idee. So hatte man sich das im Berliner Senat vor fast 3,5 Jahren zumindest gedacht. Damals hatte man die Entscheidung getroffen, fast das ganze Berliner Gebiet mit einem freien W-LAN zugänglich zu machen. Gerade für Touristen wäre dies ein echter Mehrwert gewesen. Doch mittlerweile ist aus der Idee ein absolut zahmer Papiertiger geworden. Und ein Termin für eine Realisierung ist weiter weg denn je. Was ist passiert? Liegt es am Geld? Hat Berlin Angst vor Funkstrahlen? Wenn man es polemisch betrachten möchte, kann man ungeschminkt sagen: ja so ist es.
Vor knapp 3,5 Jahren besuchte Christian Irmler, Geschäftsführer des Unternehmen „Airdata“, die Bundeshauptstadt und war enttäuscht über die Internet-Möglichkeiten. Nirgendwo fand er einen freien WLAN-Zugang. Frustriert und zugleich angespornt machte er dem Berliner Senat ein Angebot: an 5.000 Standorten möchte er an Ampel- und Lampenmasten kleinere oder auch mittelgroße WLAN-Sender anbringen. Damit könnte man einen Großteil des Berliner Stadtgebietes abdecken. Der Zugang ins Internet soll dabei kostenfrei sein. Finanziert würde es über Sponsorenverträge und über das Land Berlin. Anfangs war die Begeisterung groß. Doch die Ernüchterung folgte bald.
Der Berlin Senat für Stadtentwicklung hatte starke Bedenken, dass die gegenseitigen Frequenzbänder sich stören könnten. Gerade bei Ampelanlagen habe die Verkehrssicherheit oberste Priorität. Herr Irmler war von diesen Bedenken zwar überrascht, bot aber sogleich einen Pilotversuch an. Dieser lief über 2 Jahre. Das Ergebnis war jedoch ebenso ernüchternd wie die anfänglichen Zweifel des Berliner Senats: nämlich keines.
Im August 2009 kam plötzlich wieder Fahrt in das Thema Freies W-LAN für Berlin. Beim Berliner Senat hatte man sich zwischenzeitlich für eine öffentliche Ausschreibung entschieden. Herr Irmler war auch dieses Mal nicht sonderlich erfreut, kündigte aber an, ggf. an der Ausschreibung teil zu nehmen. Was ist danach passiert? Man kann es fast korrekt erraten: nichts.
Anfang Dezember 2009 erlebte das Projekt einen entscheidenden Dämpfer von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Es geht mal wieder um die Strahlung der WLAN-Sender. Auch wenn bei keinem der Pilotversuche eine wechselseitige Störung gefunden werden konnte, so spricht der Senat weiterhin von einer großen Gefahr für den Straßenverkehr. Dass Ampelanlagen auf einer ganz anderen Frequenz (Langwelle) senden als die WLAN-Standards (GHz), ist dem Senat ebenso egal in der Begründung wie die Tatsache, dass in Berlin Tausende von privaten WLAN-Router durch die Gegend funken. Und eigentlich bedarf es bei größeren Ampelanlagen stets einer Einzelfallüberprüfung, ob die WLAN-Antennen wirklich störungsfrei arbeiten. Der Senat nennt hier bspw. die empfindlichen Induktionsschleifen.
Wer möchte hier wen für dumm verkaufen? WLAN-Antennen senden und empfangen Funkstrahlen. Eine Induktionsschleife hingegen reagiert auf magnetische Feldveränderungen (Auto=Metall=magnetisch) und sendet darauf hin einen elektronischen Impuls über ein lokal verlegtes Kabel. Wo hier also eine wechselseitige Störung entstehen soll, ist mir persönlich absolut schleierhaft.
Der Senat für Stadtentwicklung hat noch andere abstruse Begründungen in der Schublade liegen. So soll es angeblich Probleme im Zusammenhang mit den Gaslampen geben. Davon gibt es in Berlin 43.900 Stück (Info Wikipedia). Doch ob all die Gaslampen genau im Bereich der geplanten WLAN-Standort stehen ist ebenso ungeklärt wie die Tatsache, worin genau die Störanfälligkeit liegen soll. Ein anderer Punkt ist die Verschandelung des Stadtbildes. Gerade an den touristischen Zentren würden sich die WLAN-Antennen störend auf das Stadtbild ausprägen. Störend ist hingegen anderes. Man muss sich nur einmal derzeit den Potsdamer Platz betrachten. Mehrere übergroße Werbeplakate verschandeln dort das Stadtbild. An mindestens 4 Gebäuden hängen Werbeplakate von mehreren Meter Höhe und Breite Ausmaß. Wenn das nicht störend weiß ich nicht. Die kleinen WLAN-Antennen würden hingegen kaum jemand auffallen.
Irgendwie rechtzeitig und passend kommt hingegen ein Angebot der Mobilfunkunternehmen. Diese wollen, nach Angaben der Staatssekretärin, demnächst einen Pauschaltarif und Angebote für einen mobilen Internetzugang anbieten. Mit einem speziellen Angebot für einen Tag wollen die großen Mobilfunkprovider ein attraktives Gegenangebot schaffen. Und wahrscheinlich liegt auch hier des Pudels Kern. Denn durch ein frei empfangbares und kostenfreies WLAN würde den Mobilfunkunternehmen jegliche Einnahmequelle abgegraben werden. Es lebe der Lobbyismus. Zumindest dieser funktioniert störungsfrei.