Sie gehen wählen? Sie vertrauen dabei der Korrektheit in der Auszählung? Dies könnte sich bald ändern.
Das Bundesinnenministerium plant seit langer Zeit den flächendeckenden Einsatz von elektronischen Wahlmaschinen. Das E-Voting soll unsere Wahlen revolutionieren.
E-Voting ist für sich gesehen eine gute Sache:
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die Kosten für eine Wahl reduzieren sich
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Wahlen können schneller festgelegt und durchgeführt werden
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die Stimmenauszählung erfolgt schneller und prinzipiell ohne Zählfehler
Soweit zu den positiven Eigenschaften des E-Voting. Bislang überwiegen allerdings die Kritikpunkte. Hier einige Beispiele:
Der Programm-Quellcode ist und bleibt geheim.
Der Wahlgerätehersteller Nedap stellt Firmengeheimnisse in den Vordergrund, den Quellcode der Wahlcomputer nicht zu veröffentlichen. Er betont dabei sogar, dass nur geheimer Programmcode sicher sei. Denn jede Einsicht in den Quelltext würde die Anzahl der Manipulationsversuche erhöhen.
Es gibt unzählig viele Beispiele, welche zeigen, dass die Geheimhaltung von Programmskripten nicht zur Sicherheit derselben beigetragen haben. Erst wenn viele Einsicht in den Code haben, können selbst kleinste Fehler gefunden und durch interdisziplinäre Zusammenarbeit neue oder gar noch sichere Methoden entwickelt werden.
Zudem erhöht es nicht sonderlich das Vertrauen in die fremde und abstrakte Wahltechnik, wenn man weiß, dass nur der Hersteller die Arbeitsweise dieses schwarzen Kasten kennt.
Fragen Sie doch mal beim nächsten Urnengang den Wahlleiter, in welchem EPROM und an welcher Speicherstelle nun Ihre Stimme gelandet ist.
Die Wahlmaschine kontrolliert ihre Unversehrtheit selbst.
Die Software der Wahlcomputer besitzt eine intern eingebaute Prüfeinheit. Das System zeigt sein Ergebnis in einem kleinen Display an. Es wird der Software vertraut, dass sie sich selbst als korrekt bewertet. Eigentlich wäre dies ein perfekter Informatikerwitz, nur leider ist er Realität.
Wer von dieser Vorstellung dennoch überzeugt ist, möge sich folgendes Beispiel durchlesen:
Sie geben einen Lottotipp ab. Die Ziehung erfolgt allerdings geheim und die Gewinnzahlen werden nicht veröffentlicht. Bei der Lottoannahmestelle wird Ihnen nach der Ziehung mitgeteilt, dass Sie mit Ihren Zahlen leider kein Glück hatten. Es kostet reichlich Überwindung, dem korrekten Ergebnis zu vertrauen.
Die elektronische Stimme zählt. Oder: kein Papier-Backup.
Wenn auf der Wahlmaschine eine Stimme abgegeben wurde, wird diese in einem elektronischen Speicher bis zur Stimmenauszählung gesammelt. Dem Computer bzw. dem zu Grunde liegenden Programm wird so viel Vertrauen zugebracht, dass die elektronische Speicherung als ausreichend anerkannt wird. Es wird nicht näher hinterfragt, ob eventuell Stimmen doppelt oder gar nicht gezählt wurden, ob die Stimme zur gewählten Partei durch einen internen Fehler einer anderen Partei zugesprochen wird, oder ob sogar die komplette Stimmenzählung falsch läuft.
Auf ein Papier-Backup wird vollkommen verzichtet. Die elektronische Stimme ist einzig und allein maßgebend.
Führen Sie Backups von Ihren wichtigsten elektronischen Dokumenten durch? Drucken Sie sehr wichtige Unterlagen sogar aus? Kontrollieren sie auch monatsweise Ihre Bankbuchungen? Wieso?
Einmal geprüft und für sicher erklärt.
Die Bundesprüfstelle, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) erhielt anfangs ein Exemplar der Firma Nedap. Zu diesem einen Gerät erteilte die PTB – ohne anerkanntes Prüfverfahren – ein endgültiges Zertifikat bzw. die Zulassung als offizielles Wahlgerät. Dem Hersteller steht es frei, spätere Maschinengenerationen zu verändern, die Software anzupassen oder gar die Bauweise in Teilen zu modifizieren.
Der Wähler wird sich in Zukunft beim "Urnengang" fragen müssen, ob sein Knopfdruck nun richtig gezählt und gespeichert, oder ob durch eine Manipulation seine Stimme einem politischen Konkurrenten zugerechnet wurde.
Dem Bundesinnenministerium sind all die Bedenken fremd. Sie vertrauen lieber der Bundesprüfstelle und verweisen auf die vielen Länder, in denen die Wahlmaschinen der Firma Nedap bereits im Einsatz sind.
Wird eine Technik sicherer, dadurch dass sie öfters eingesetzt wird?
Was passiert, wenn in einem fremden Land eine Nedap-Wahlmaschine gestohlen und danach zerlegt wird? Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis erste Manipulationsanleitungen im Internet auftauchen würden. Der geheime Quellcode wäre damit dann auch passe.
Demokratische Wahlen müssen vor Manipulationen sicher sein. Alles andere entspräche nicht dem Sinne der Demokratie. Da bei den derzeitigen Wahlsystemen der Firma Nedap eine Veränderung der Zähl- und Auswertungsprogramme nicht ausgeschlossen werden kann, kann das E-Voting nicht als demokratisch durchgeführte Wahl bezeichnet werden.
Die Bundesprüfstelle weigert sich bis dato, den genauen Prüfbericht offen zu legen. Dies widerspricht den Gesetzen zur Informationsfreiheit. Deswegen unterstützt der Heise-Verlag eine Klage auf Akteneinsicht beim Verwaltungsgericht Braunschweig.
Bleiben Sie wachsam und vertrauen Sie nicht jedem schwarzen Kasten Ihre Wählerstimme an.
Gibt es dann wenigstens auch einen Zufalls-Button für Leute, die sich nicht entscheiden können? Oder noch besser: individuelle Bestätigungsfragen! „Sind Sie wirklich sicher, dass Sie die extrem Rechten wählen wollen? Im Parteiprogramm steht, dass…. und… “
Da tun sich ganz neue Möglichkeiten auf!
Update 05.10.06
Ein Artikel der „Zeit“ ist erschienen: Prozente nach Belieben
„Sind deutsche Wahlmaschinen wirklich sicher? Niederländische Hacker haben das System geknackt. Und glauben, dass nicht nur sie dazu in der Lage sind.“
Soviel zum Thema.