Der ganz normale Wahnsinn im Mauerpark

Der Großstadtmensch ist getrieben von Lärm und Hektik. Alles muss schnell-schnell gehen und die Straßen sind laut und schmutzig. Dies alles schlägt aufs Gemüt. Da sehnt man sich – zumindest am Wochenende – nach Entspannung und Erholung. Nicht umsonst gibt es in der Metropole Berlin so viele Parks und Grünanlagen.

Doch wohl nicht alle sehnen sich nach Ruhe und Erholung. Selbst beim Nichtstun gehört das kollektive Happening zum Pflichtprogramm. Einfach nur im Gras liegen, in der Sonne dösen oder in aller Ruhe ein Buch lesen … nein. Das ist ja langweilig und absolutely boring.

mauerpark
Der Mauerpark an einem ganz „gewöhnlichen“ Sonntagnachmittag.

So muss das sein. Ganz viele Menschen, dicht an dicht gedrängt. Die einen schauen dem Nachbarn über die Schulter, die anderen grillen einem direkt die Liegedecke mit und wieder andere „lauschen“ den diversen Alleinunterhaltern. Von Trommler, über Gitarrenspieler und „Sänger“ bis hin zum mittlerweile legendären Karaoke wird alles geboten. Auch für Essen und Trinken wird reichlich gesorgt. Aber zum Glück ist dies alles nicht mit Konsum kombiniert. Nur ein gemütliches Zusammensitzen mit vielen anderen Tausenden, die alle verköstigt und unterhalten werden wollen. Bei Massenveranstaltungen ergeben sich leider auch ein paar negative Punkte. Der Rasen ist keine Liegewiese mehr sondern zu großen Teilen ein platt gewalzter Liegeacker. Dieser Acker ist zudem übersät mit Kronkorken der unterschiedlichsten Biermarken.

Die Touristen sind von diesem Rummel hell auf begeistert. Fantastic! Fantastiquement! Fantástico! Es gibt kaum eine Sprache, die man während eines Besuches im Mauerpark nicht hört. Und dann dröhnt zudem aus jeder Ecke eine andere musikalische Belästigung auf die Ohren. Falls mal ein Karaoke-Teilnehmer wirklich gut war, klatscht die Meute begeistert Beifall und brüllt nach Zugabe. Und nächsten Sonntag kommen wieder alle, weil es ja so wahnsinnig toll war im Mauerpark.

Nur komisch, dass man an einem Sonntag im Mauerpark keine Familien mit Kindern und ältere Leute sichtet. Offenbar beschränkt sich die wahnsinnig tolle Begeisterung auf eine Personengruppe im Alter von 20 bis 40 Jahren. Beim Fernsehen würde man von der relevanten Zielgruppe sprechen; und leider sieht es auch sehr zielgruppenorientiert aus. Obwohl alle auf ihren individuellen Look stehen und alle wahnsinnig individuell sich geben; beim Besuch im Mauerpark werden alle zum gleichgerichteten Konsumvieh. Bier, Bratwurst und Karaoke – fertig ist die Sonntagsplanung. Wahnsinnig entspannend.

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