Bei der Massenpanik auf der Loveparade in Duisburg sind nach neusten Informationen nun bereits 21 Menschen gestorben. Die meisten der Todesopfer sind wohl unmittelbar im Gedränge erdrückt oder tot getrampelt worden. Nach der Katastrophe herrscht seit Sonntag nun ein skurriles „Hütchenspiel“. Wer zuerst die Verantwortung findet, muss sie behalten. Die Polizei fühlt sich nicht schuldig, die Stadtverwaltung schiebt die Schuld auf den Veranstalter weiter und der Veranstalter findet, dass er alles richtig gemacht hat – und dass die Parade in diesem Umfang von der Stadt auch erlaubt wurde.
Einen Schuldigen zu finden, wird nicht einfach werden. Deshalb soll sich darum auch die Staatsanwaltschaft kümmern. Davon abgesehen, beteiligen sich viele Medien an der Ursachenforschung. Viele greifen dabei gern auf die Bilder von Youtube oder anderen Bilderdiensten zurück, wo Beteiligte ihre persönlichen Erlebnisse hoch geladen haben. Ich nehme davon Abstand, da ich die Persönlichkeitsrechte der Opfer und Geschädigten schätze und zudem auch nicht irgend einem Sensationsjournalismus verfallen möchte.
Für die Katastrophe gibt es viele Gründe. Doch eigentlich beginnt das Chaos schon bereits im Vorfeld der Planungen.
Der Tunnel gilt als das Übel der ganzen Massenpanik. Doch war es einzig und alleine die Tatsache, dass aus zwei Richtungen die Besucher auf das Gelände strömten? Wohl nicht ganz, doch die Tatsache ist nicht ganz nebensächlich. Das Problem war und ist vielmehr die Rampe, welche von der Tunnelöffnung auf das Partygelände führt.
Eine kleine Rechnung
Die Rampe auf das Gelände hat eine Breite von 18,5 Meter. Gehen wir zum Zeitpunkt des Unglückes von einer weiteren messbaren Größe aus, dass pro Quadratmeter sich 4 Personen befinden. Im dichten Gedränge bewegt sich die Masse äußerst langsam. Man kann davon ausgehen, dass sich der gesamte Pulk auf der Rampe nicht schneller als 0,3 Meter pro Sekunde bewegt hat. Dies entspricht ungefähr einer mittleren Geschwindigkeit von 1 km/h. Mit diesen Werten ergibt sich eine Personenmenge von ca. 90.000 Personen pro Stunde, welche auf das Gelände strömen.
Das Gelände auf dem ehemaligen Güterbahnhof war jedoch nur für 250.000 Personen freigegeben. Die Zugänge hätten also – bei gleich bleibend starkem Andrang – nach ca. 3 Stunden geschlossen werden müssen. In manchen TV-Berichten ist auch zu sehen, wie auf den Zufahrtswegen die Durchlassschranken stellenweise geschlossen wurden. Es hieß, dass man dadurch einen Rückstau im Tunnel vermeiden möchte. Doch von hinten strömten immer mehr Menschen nach. In manchen Berichten ist zu lesen, dass bis zu 1,4 Millionen Besucher zur Party kommen wollten.
Die Rampe ist das Problem, denn die Rechnung des Veranstalters hat Lücken. Wenn maximal 100.000 Personen pro Stunde auf das Gelände strömen, kann in dieser Zeit niemand das Gelände verlassen. Denn es gibt nur diesen einen Weg. Wenn Personen in der selben Zeit das Gelände verlassen möchten, verschärft sich die Rechnung ungemein. Durch die unkoordinierte Personensteuerung vermischt sich der Zufluss mit dem Abfluss. Es können immer weniger Personen auf das Gelände gelangen und die bereits überfüllten Zufahrtswege werden durch die rückkehrenden Besucher zusätzlich belastet. Ein Stau ist unvermeidbar.
Die Verantwortung in der Planung vergessen
Gehen wir also nochmals ein paar Tage zurück, als die Loveparade noch in der Planung lag. Der Veranstalter hat ein Gelände angemietet, welches für maximal 250.000 Personen ausgelegt ist. Gleichzeitig wünscht man sich aber insgeheim, dass es über eine Million Besucher werden sollen. Dies stellt prinzipiell kein Problem dar, denn erfahrungsgemäß ist über den ganzen Tag verteilt mit einer hohen Durchflussquote zu rechnen. Dass das Gelände dennoch nur über eine Zufahrt zu erreichen ist, spielt dabei scheinbar keine Rolle. Als Fluchtweg ist ja u.a. die nahestehende Autobahn gedacht.
Das Konzept wird bei der Stadtverwaltung eingereicht. Dort kennt man die selben Faktoren: max. 250.000 Personen auf dem Gelände und eine einzige Rampe, welche auf das Gelände führt. Doch auch hier scheint man offensichtlich nicht rechnen zu können. Man überlässt es dem Veranstalter, die Party durchzuführen. Schließlich hat die Lopavent GmbH bereits viele Erfahrungen bei den zurückliegenden Loveparades sammeln können. Bei den Verantwortlichen der Stadtverwaltung freut man sich indes diebisch auf die vielen Besucher, welche an diesem Wochenende in die Stadt strömen werden.
Das Krisenzentrum koordiniert seine Aufgaben. Man fühlt sich gut aufgestellt. Auch hier wird offensichtlich keinem unwohl bei dem Gedanken, dass die Karl-Lehr-Straße für diesen Tag als Zufahrtsweg für Rettungskräfte ausfallen wird. Denn wenn erst einmal die Massen strömen werden, gelangt man nur noch über die Koloniestraße (im Norden gelegen) auf das Gelände. Die Autobahn auf der linken Seite kann nur als Versorgungsader betrachtet werden, denn an dieser Stelle gibt es keine Zufahrt zu diesem geplanten Rettungsweg.
Die Massenpanik war vorprogrammiert
Wenn nun die Verantwortlichen sich scheintot stellen und lieber nichts zu dem Unfallhergang sagen möchten, so zeugt dies von der vagen Vorahnung, welche die Beteiligten haben. Der Veranstalter wusste wohl eindeutig Bescheid über die Probleme mit dem Gelände und der zu erwartenden Besuchermenge. RolfSchaller als Geschäftsführer der Lopavent GmbH duckt sich jedoch gekonnt weg, weil er die Schuld bei anderen sieht. Beispielsweise hätte die Polizei vieles falsch gemacht. Die Polizei wollte nach der Katastrophe nur ca. 400.000 Besucher gezählt haben. Diese eher zu gering angesetzte Menge wurde wohl aus weiser Voraussicht genannt, weil die Polizei selbst nicht korrekt gehandelt hat!? Der Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, Adolf Sauerland, ist sich ebenfalls keiner Schuld bewusst. Sein Haus habe die Unterlagen gewissenhaft geprüft und das Sicherheitskonzept sei schlüssig gewesen. Man sagt auch ungern eine Loveparade ab, wenn sie in der eigenen Stadt statt finden soll.
Ich komme auf mindestens zwei schuldige Personen: Herr Schaller als Veranstalter, der seine Loveparade unbedingt auf diesem Gelände abhalten wollte und Herr Sauerland als Oberhaupt der zulassenden Behörde, der über alle Bedenken hinweg sah – Hauptsache die Loveparade komme in seine Stadt. Die restlichen Beteiligten sind in meinen Augen nur Bauernopfer einer unglücklichen Party. Auch ist es eher nebensächlich, ob zu wenig Ordner eingesetzt wurden, oder das Gelände nun zu klein oder doch viel zu groß war. Wenn hunderttausende Menschen sich in eine Richtung bewegen, ist jegliche Sicherheitsvorkehrung nichts wert. Da zählt nur noch kühle Mathematik und die Chaostheorie.
Das Nadelöhr war die Rampe. Dies war sicherlich mehrmals im Vorfeld diskutiert worden. Doch jeder der Verantwortlichen hat wohl das Problem nur abgenickt. Das Event musste statt finden. Der eine wollte dabei möglichst viel Geld sparen und die anderen wollten durch die Loveparade möglichst viel einnehmen. Und sch(w)ups landete das Ganze in der Katastrophe.