TV-Sender wie QVC, HSE24 oder Channel-21 (ehemals RTL Shop) machen pro Jahr Umsätze in mehrstelliger Millionenhöhe. Verkauft wird übers Fernsehen alles, was die „moderne“ Hausfrau benötigen könnte. Das Angebot reicht von Bratpfannen und Plastikschüsseln, über Bügeleisen und Schlankstütz-Corsagen bis hin zu Gesichtscremes und Schmuck in allen Variationen. Der Preis ist äußerst selten vergleichbar mit anderen Angeboten. Dafür werden die Kundinnen stets überhäuft mit Preisvorteilen. Shoppen und Sparen bis der Arzt kommt.
Über den durchschnittlichen Kunden der TV-Shopping-Sender gibt es nur wenige Informationen. Er/sie kann nur relativ geschätzt werden: weiblich, zwischen 55 und 60 Jahre alt, Hausfrau, verheiratet und mit genügend Kleingeld für die Einkäufe ausgestattet. Es handelt sich um eine Nachkriegsgeneration, welche jeden Tinnef benötigen kann. Wenn es dabei ein Produkt in einer neuen Farbe oder in neuer Zusammenstellung gibt, dann kauft diese Kundschaft auch gern zum wiederholten Male. So sind zumindest meine privaten Beobachtungen. Diese Klientel kauft zum größten Teil auch nicht der Notwendigkeit sondern der Befriedigung wegen.
Um der Kundschaft ein Produkt „schmackhaft“ zu machen, ziehen die Macher der Kaufsendungen alle psychologischen Register. Der Moderator bzw. Präsentator gibt bspw. den Hinweis, dass in der telefonischen Bestellannahme eine Wartezeit von derzeit 3 Minuten herrscht. Man solle nicht auflegen und einfach in der Leitung bleiben. Dem Unentschlossenen suggeriert eine lange Wartezeit ein nachgefragtes Produkt, welches man in diesem Fall selber gern haben möchte.
Ein weiteres Mittel der unmittelbaren Beeinflussung ist die Bekanntgabe von Restmengen oder verkauften Einheiten. Wenn es vom Moderator heißt „Wir haben jetzt noch 100 Stück“ ist auch dem letzten Zuschauer klar: jetzt oder nie und nicht mehr lange überlegen. Die moderne Verkaufspsychologie nutzt diese Vorgehensweise, um den subjektiv empfundenen Kaufdruck zu erhöhen.
Die Sonderpreise sind entscheidend
Um ein unscheinbares und mittelmäßiges Produkt interessant zu machen, benötigt es kaufkräftige Argumente. Den Kunden kann man immer noch am stärksten mit Preisnachlässen locken. Bei der Erfindung von Sonderpreisen geben sich die Shopping-Sender äußerst kreativ. Ein grober Überblick über die „Preispalette“: Tagesangebot, Joker der Woche, Angebot des Monats, Aktionspreis, Kennenlern-Preis, Überraschungspreis, Neukunden-Preis (für alle), Monatspreis, Geburtstagspreis, Frühlingspreis, Nur-Einmal-Angebot, Late-Night-Preis, Premieren-Preis, Jahrestagspreis, usw.
Sie sagen, diese Preiskennzeichnungen wären reine Willkür? Nun, dem kann nicht widersprochen werden. Es steht hingegen jedem Kaufmann offen, seine Preise so nennen zu können, wie er möchte. Ob dies nun ein „Sofort-Kauf-Preis“ ist oder ein „Dumme-Kunden-Preis“ sein soll, ist völlig egal. Verkaufsfördernd muss die Bezeichnung sein; es muss nur genügend Phantasie in ihr stecken. Apropos Phantasie: um diese Sonderpreise als günstiges Schnäppchen präsentieren zu können, benötigt es einen Referenzpreis. Dies ist meist ein völlig willkürlicher „Standardpreis“ der Verkaufssender. Da die gezeigten Waren zum größten Teil nur beim jeweiligen Sender zu kaufen sind, ist ein Preisvergleich mit anderen Angeboten ausgeschlossen. Der Standardpreis ist nur ein senderinterner Preis und hat mir der Realität meist wenig gemein. In seltenen Fällen – speziell bei Technikware – ist ein UVP (Unverbindlicher Verkaufspreis des Herstellers) zu sehen. Doch selbst dieser Preisangabe gehen die Sender gekonnt aus dem Weg, in dem sie das Produkt in ein Bundle umwandeln. Mit „Gratiszugaben“ versehen, wird ein neues Produkt kreiert, für welches wieder ein senderinterner Kreativpreis erdacht werden kann.
Der Kunde wird bei den TV-Shopping-Sendern (fast immer) mit fantastischen Preisnachlässen gelockt. Den Sendern selbst ist dabei nur schwer nachzuweisen, wie viel Realität in den Standardpreisen liegt und ob der reduzierte Preis nicht doch eher dem Normalpreis entspricht. Den mehrheitlich weiblichen Kunden ist es offensichtlich egal, wie real der reduzierte Preist ist. Wichtiger wiegen da die Trägheitsfaktoren: bequem per Telefon bestellen, bequem nach Hause liefern lassen, 30 Tage Rückgaberecht. Nicht anders zu erklären sind die jährlich steigenden Umsätze der Shopping-Sender.
Als Außenstehender hat man jedoch das ungute Gefühl, dass bei Angaben wie „Frühlingspreis“ oder „Überraschungspreis“ der Kunde über den Tisch gezogen wird. Mit Preistäuschungen haben schon der Baumarkt Praktiker und diverse Fluggesellschaften ungute Erfahrungen mit der Justiz machen müssen. Und auch zur Angabe „regulärer Preis“ gab es schon einmal eine juristische Auseinandersetzung. Freiheit für den Verkäufer bei der Preisbildung ist das eine. Preistäuschung beim Kunden ist das andere. Und manchmal verschwimmen die Grenzen wohl ein bisschen.