Gestern sind sie endlich unter die eheliche Haube gekommen: der adelige Prince William, Duke of Cambridge und die bürgerliche Catherine Elizabeth Middleton. Oder wie sie von der Presse immer liebevoll genannt werden: „Baby-kins“ und „Big Willie“, weil sie sich angeblich selbst so nennen. Meine Herrn, war das ein TV-Großereignis. Also sollten wir irgendwann mal wieder auf dem Mond landen, muss sich schon fast die komplette Menschheit für dieses Ereignis interessieren. Man hatte – medial betrachtet – das Gefühl, am Freitag den 29. April 2011 gäbe es kein anderes Thema. Royal-Hochzeit hier, Englands Jahrhundertereignis dort.
Alle Experten europäischer und internationaler Königshäuser sind zu diesem Thema aus ihren verstaubten Löchern gekrochen gekommen. Die Medien haben alle verfügbaren Kameras und Übertragungswagen nach England gekarrt, um von diesem Jahrtausend-Spektakel berichten zu können. Stundenlang wurde geschwafelt über Hüte, Kleider, Ablaufpläne, Beziehungen und natürlich über das neue Traumpaar sowieso.
Man kam um das Thema nicht herum. Die Medien haben an diesem Freitag wieder einmal eindrucksvoll beweisen können, wie rührselig sie das Volk mit Klatsch und Tratsch versorgen können. Und dies in fantastisch paralleler Weise. Die Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten sowie die Privaten sendeten auf allen Frequenzen das selbe Programm. Den Zeitungen war kein anderes Thema für die Titelseiten wichtiger. Bekannte Society- und Lifestyle-Heftchen kamen stellenweise gar mit Sonderausgaben in den Zeitschriftenstand. Ist die Welt wirklich so hungrig nach seichten Liebesgeschichten aus den blaublütigen Häusern? Wo liegt der Reiz oder das Interesse an den Geschichten? Sehnen wir uns nach den kleinen Märchen in der harten Realität? Oder wären wir nur auch einfach gern Prinz und Prinzessin?
Ein absoluter Trash war die ganze Veranstaltung. Von der Berichterstattung dazu ganz zu schweigen. Oh, das Kleid ist weiß!? Oh, das Kleid hat keinen überladenen Schleier!? Der Hut ist vom Designer So-und-So, die Schuhe stammen von Dem-und-Dem, die Bäume in der Kirche stehen für einen zarten Wechsel in der britischen Monarchie, der Kuss dauerte 0,4 Sekunden, blablabla … Ich kann mir auch einen Früchtejoghurt kaufen und unter fließendem Wasser die Fruchtstückchen aussieben. Es wäre ebenso spannend und gehaltvoll wie die Berichterstattungen zu dieser Hochzeit.
Stellenweise musste man sich ernsthaft fragen, ob manchem Reporter bzw. mancher Reporterin zuvor die Gehirnmasse entfernt wurde. Ein Dünnschiss wurde da gelabert und gesendet, dass es auf keine britische Kuhhaut mehr ging. Aber was möchte man auch anderes erwarten. Nüchtern betrachtet war es eine Hochzeit wie von Frau Schulze mit Herrn Meier. Mit dem „kleinen“ Unterschied, dass die Gästeliste etwas überfrachtet und exklusiv war. Der ganze Glanz und Gloria links und rechts des Weges hat doch eh fast niemand interessiert. Wichtig war, dass die beiden Turteltäubchen sich auf dem Balkon küssen. Und weil es eh alle Experten so genau wissen, hier nochmals in Großbuchstaben: ES WAR DIE TRAUMHOCHZEIT DES JAHRHUNDERTS.
Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächsten 89 tristen Jahre überleben werde. Hier und jetzt zählt erst einmal das Traumpaar Kate und Willi. Nach der Traumhochzeit von Charles und Diana herrschte lange Zeit so etwas wie Friedhofsruhe auf Windsor. Doch den beiden sei dank: die Welt kann sich endlich erleichtert weiter drehen. Was für ein Glück.