Der Berliner Hauptbahnhof, früher Lehrter Stadtbahnhof, feiert heute (21.05.2011) seinen fünften Geburtstag. Eigentlich wurde der Hauptbahnhof am 26. Mai 2006 eröffnet und somit dürfte die Feier frühestens am Donnerstag oder am nächsten Wochenende statt finden. Aber dies ist eine der seltsamen Eigenarten deutscher Unternehmen: man feiert lieber im Voraus als hinterher. Bescheuert! Zum „großen“ Feste gab es heute am Samstag ein Feuerwerk. Schon zur Eröffnung hatte es sich die Deutsche Bahn nicht lumpen lassen, und ein bombastisches, 30-minütiges Feuerwerk abgefeuert. Zu Silvester wird zwar jährlich immer gepredigt „Brot statt Böller“ aber für den Rest des Jahres scheint das pure Gegenteil zu gelten.
In den wärmeren Monaten gibt es in Berlin – gefühlt – jedes Wochenende irgendwo ein Feuerwerk zu sehen. Mit der Geburtstagsfeier des Hauptbahnhofes hat es nun mal wieder das Niemandsland in der Nähe des Humboldthafens getroffen. Denn so ein Geburtstag muss mit Schmackes gefeiert werden. Wenn schon die Kritik am „Drehkreuz Europas“ nicht abreißen möchte, so muss man eben mit einem buntem Feuerwerk blenden. Und dies versteht man prächtig – also das blenden. Eine 18-minütige Komposition aus Licht, Klang und Feuerwerk wurde versprochen. Um es nüchtern zu sagen: es war ok.
Der Architekt Meinhard von Gerkan übt heute noch Kritik an der damaligen Bauplanänderung. Das Dach der West-Ost-Verbindung ist auf Grund der bewusst vorgezogenen Fertigstellung um ca. 100 Meter kürzer ausgefallen als geplant. Ein ICE in voller Länge passt somit nicht ganz unter das Glasdach. Es fehlen mindestens 70 Meter. Das Interessante ist ja, dass die fehlenden Elemente zum größten Teil bereits produziert sind und derzeit irgendwo in Berlin eingelagert rumliegen. Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages hatte sich bereits 2008 die Vollendung des Daches ausgesprochen. Doch bei der Bahn feiert man lieber für teuer Geld unwichtige Geburtstage. Wir reden hier übrigens nicht von Unsummen. Laut aktuellen Berechnungen würde die Fertigstellung des Daches ca. 37 Millionen Euro Baukosten betragen. Wenn man bedenkt, welch astronomische Summen der Stuttgarter Bahnhof S21 kosten soll, sind die 37 Millionen geradezu ein Witz. Doch lieber lässt man die Fahrgäste der ersten Klasse am größten Turmbahnhof Europas bei Regen nass werden.
Auch sonst ist es nicht besonders gestellt und dem viertgrößten Personenbahnhof Deutschland. Angeblich steigen täglich über 300.000 Personen am Hauptbahnhof ein, aus und um. Doch die meisten landen in einer Art Wüste. Dies ist sowohl für den Service zu sehen als auch für die Anbindung. Wo früher mal der Lehrter Bahnhof stand, war bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr viel los. Der ehemalige Bahnhof wurde im Krieg zerstört. Nach der Teilung Berlins war der Lehrter Stadtbahnhof die letzte westliche Station auf der S-Bahn-Strecke von West nach Ost und die Gegend wurde vollkommen zum unbebauten Niemandsland. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Der Bahnhof steht einsam und verlassen in der Landschaft. Der helle Spruch den die Stadtplaner an dieser Stelle immer bringen: „Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.“ Dies ist richtig. Doch die verkehrstechnische Anbindung ist mehr als beschämend.
Die Verlängerung der U-Bahnlinie U5 wird noch bis 2017 dauern. Der Südtunnel der S-Bahnline S21 wird ebenfalls erst ca. 2016 fertig gestellt. Die Verlängerung der Straßenbahn bis zum Hauptbahnhof ist zwar beschlossene Sache, aber sowohl die Finanzierung sowie der Baubeginn stehen noch in den Sternen. Somit kann der Hauptbahnhof effektiv nur mit der S-Bahn auf der West-Ost-Verbindung und mit Bussen erreicht werden. Selbst die Taxifahrer beklagen die schlechte Verkehrsführung am Bahnhofsvorplatz. Und wer mit dem Bus ankommt, darf sich zwischen parkenden Autos und Fahrradfahrern durch quälen. Ideal ist etwas anderes.
Für einen großen Bahnhof gehört es sich eigentlich, dass an jedem Tag und zu fast jeder Stunde die Geschäfte geöffnet haben. Doch wer schon mal am Sonntag im Hauptbahnhof unterwegs war, wird vor vielen verschlossenen Türen stehen. Es gibt keine Erlaubnis für eine reguläre Öffnung. Jede Dönerbude in der Stadt hat da mehr Freiräume. Gerade für Touristen wäre es verlockend, noch vor der Abreise ein bisschen zu shoppen. Aber gut, man muss froh sein, dass wenigstens die vielen Rolltreppen und Aufzüge die meiste Zeit funktionieren. Sonst wäre nämlich auch noch das Umsteigen eine Qual.
Nach fünf Jahren würde man für ein Bauwerk sagen, dass es erwachsen geworden ist. Die Kinderkrankheiten sind zwar beseitigt; die richtige „Ehe“ mit dem ÖPNV ist jedoch noch in weiter Ferne. Ich würde sagen, der Bahnhof steckt noch voll in der eigenwilligen Teenagerzeit. Man kann Feuerwerke und Geburtstagsfeiern toll finden. Doch sollte man nicht erst die Hausaufgaben machen, bevor man ans Feiern denkt? Und ist es neuerdings zur Mode geworden, dass man im Voraus feiert? Die Jugend von heute .. furchtbar.