Was hatte sich die Redaktion von Günther Jauch nur dabei gedacht, die Kachelmanns einzuladen? Hauptgrund war wohl das neue Buch von Jörg und Miriam Kachelmann „Recht und Gerechtigkeit„, Untertitel „Ein Märchen aus der Provinz„. Der passende Titel für die 45-minütige Show hätte sein können „Krieg und Frieden – Ein Schmierentheater aus der Provinz„. Obwohl die Sendung Top-Quoten verbuchen konnte, war das Niveau der Sendung eher im Keller angesiedelt.
Die ersten 15 Minuten war den Kachelmanns gesondert gewidmet. Jörg Kachelmann konnte darüber erzählen, wie ungerecht das ganze Verfahren war und wieso er der bessere Lügner war (wäre, ist) als die angeblich vergewaltigte Klägerin. Sachlich und sichtlich ohne Regung stellt er die Medien an den Pranger, weil sie eine Art Vorverurteilung verbreitet haben. Wer die Medien kritisiert darf zur Wiedergutmachung in die Talkshow von Günther Jauch und die Klägerin als Lügnerin beschuldigen. Nicht dass der Eindruck entstehen könnte, Herr Kachelmann nutzt diese mediale Bühne für private Rachefeldzüge. Nein nein, er sagt ja nur die Wahrheit – seiner Meinung nach.
Neben ihm sitzt seine Ehefrau Miriam Kachelmann. Zusammen mit ihr hat er das Buch „Recht und Gerechtigkeit“ geschrieben. Man bekommt nach wenigen Minuten das Gefühl, Frau Kachelmann hat die Rolle des sprechenden Papageien übernommen. In jedem zweiten Satz macht sie unverhohlen Werbung für das Buch. „Haben Sie das Buch (überhaupt) gelesen?“ „Das steht alles in dem Buch.“ „Deshalb haben wir das Buch geschrieben.“ Diese Sätze wiederholen sich mantraartig mehrmals in der Sendung.
Zum Henker: ich und die anderen müssen das beschissene Buch doch nicht ernsthaft lesen, um eine Diskussion mit den Kachelmanns führen zu können. Wenn man Werbung zur Aufbesserung des eigenen Bankkontos machen möchte, ist dies legitim. Doch auf derart plumpe Art und Weise habe ich es schon lange nicht mehr erlebt. Ehrlich wäre folgende Werbeansage gewesen: „Lesen Sie doch das Buch, dann wissen Sie wieso wir hier sitzen.“
Der Einzige der ein bisschen Leben in die an sich tröge Diskussion brachte, war der ehemalige BILD-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje. Doch dafür, dass er Herrn Kachelmann einen „miesen Charakter“ unterstellte und das Buch mehr oder weniger in das selbe Kellerniveau platzierte, bekam er nachträglich von gewissen Medien die rote Karte.
Wir wissen, dass Herr Kachelmann unschuldig ist und die Klägerin nicht vergewaltigt hat. Ja, wir wissen, dass es eine mediale Schlammschlacht gegen Herrn Kachelmann gab. Man wird dem Angeklagten jedoch auch den Spiegel vor die eigene Nase halten dürfen. Denn der von Herr Tiedje beschriebene miese Charakter kommt nicht von ungefähr.
Die restlichen Teilnehmer der Talkshow, Herr Jauch eingeschlossen, waren eher schmückendes Beiwerk. Ab und an einen intelligenten Satz sagen, sich aber nie zu konkret zum Vorfall äußern. Herr Kachelmann gilt als sehr klagefreudig. Daher waren die Äußerungen immer sehr zurückhaltend oder sehr verallgemeinernd definiert.
Die 45 Minuten am Sonntagabend konnte man sich kneifen. Die jauchsche Redaktion hätte lieber eine Talkrunde zum Dauerthema „Wetter“ gemacht. Schlechtes Wetter, gutes Wetter. Ein meteorologischer Bericht aus der Provinz. Mit – oder besser – ohne Herr Kachelmann.
Mal abgesehen von alledem was man von den Kachelmanns halten mag fand ich den Kommentar von Hans-Hermann Tiedje bezeichnend, dass Miriam Kachelmann mit ihren ausführlichen Erläuterungnen „die Quoten drückt“. Das zeigt doch eindeutig die Prostitution der Medien auf: ‚für entsprechende Quoten ist uns jedes Mittel recht‘; von für das Volk relevanter Information (in anderen politischen Bereichen), oder gar dem Versuch ernsthaft die „Wahrheit“ zu ergründen, mal ganz abgesehen. Ich denke gerade dort sieht man einen deutlichen Abgrund in dieser Gesellschaft.