Auch 2013 wurde der Strom wieder massiv teurer. Im Schnitt erhöhten die Anbieter den Preis für die Kilowattstunde um circa 10 Prozent. So zumindest die Rechnung für Privathaushalte und kleine bis mittelständische Gewerbebetriebe. Die stromhungrige Großindustrie hingegen zahlt einen subventionierten Billigpreis – befreit von der EEG-Zulage und von den Netzentgelten. Reale Marktwirtschaft? Wunschdenken!
Strom-Export zum Selbstkostenpreis
An sonnenreichen oder windreichen Tagen wird in Deutschland viel mehr Strom produziert, als wir selber verbrauchen können. Hinzu kommt, dass der in Deutschland produzierte Strom oft günstiger ist als in anderen Nachbarstaaten. So wurden im Jahr 2012 etwa 23 Milliarden Kilowattstunden exportiert; in 2011 waren es noch sechs Milliarden Kilowattstunden. Ein Großteil dieser Exporte geht in die Niederlande, wo aufgrund der vielen Gaskraftwerke der Strompreis höher ist als hierzulande.
Seit 2003 wird in Deutschland mehr Strom exportiert als importiert. Wir sind ein Stromexportland. Zum Teil ist dies auf Schwankungen bei der Nachfrage und auf den nötigen Lastausgleich zurück zu führen. Fakt ist jedoch auch, dass gerade im stromintensiven Süddeutschland zusätzlich viel Strom nach Österreich und in die Schweiz exportiert wird. Gern wird uns erzählt, dass die neuen Stromtrassen dazu dienen sollen, den Süden Deutschlands mit Windenergie aus dem Norden zu versorgen. Vielleicht soll damit aber nur die Möglichkeit geschaffen werden, noch mehr Strom zu unseren südlichen Nachbarn transportieren zu können.
Strompreis stagniert
Quelle: European Energy Exchange (EEX)
Das Volumen an produziertem Strom nimmt jährlich zu (unterer Graph). Eigentlich ist die gar nicht nötig, schließlich stagniert in Deutschland der Stromverbrauch. In den letzten beiden Jahren war der innerdeutsche Stromverbrauch sogar leicht rückläufig. Trotz oder gerade wegen der steigenden Menge bleibt der Preis (pro MWh) seit 2005 auf dem selben Niveau bzw. sinkt sogar leicht.
Steigt bei einem gleichbleibenden Angebot die Nachfrage, steigt der Preis. Diese allgemeingültige Regel zur Preisbildung ist im deutschen Strommarkt außer Kraft gesetzt. Denn viele staatliche Subventionen und Ausnahmen, wie beispielsweise jene bei der EEG-Zulage, stören den natürlichen Wettbewerb. Der Produktionspreis ist in den letzten 7 Jahren nicht wesentlich gestiegen.
Stromrechnung steigt von Jahr zu Jahr
Quelle: Statista
Seit 1998 hat sich die Stromrechnung um gut 50 Prozent erhöht. Hier zeigt sich die wahre Diskrepanz zwischen Erzeugerpreis und Endkundenpreis. Wie kann es sein, dass die Produktionskosten gleich bleiben und der Strompreis dennoch jedes Jahr munter steigt? Wer verdient an der massiven Differenz? Sind es die Stromkonzerne? Ist es der Staat?
Fakt ist, dass im Strompreis gut 50 Prozent Steuern und Abgaben enthalten sind.
Kosten | % |
Strombeschaffung und Vertrieb | 33,0 |
Steuern | 24,0 |
Nettonetzentgelt | 19,9 |
Umlage nach Erneuerbare-Energien-Gesetz | 13,7 |
Konzessionsabgabe | 6,5 |
Messung und Abrechnung | 2,7 |
Umlange nach Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz | 0,2 |
Quelle: Deutsche Bundesnetzagentur, 2012 |
Gewinne der Stromanbieter
Quelle: Statista
Nicht nur der Staat verdient sehr gut am deutschen Stromkunden. Auch die Erzeugenden Unternehmen fahren prächtige Gewinne ein. RWE steigert operativen Gewinn. E.on verkündet Milliardengewinn. Vattenfall erwirtschaftet trotz Rückgang einen Gewinn von 27,7 Milliarden Kronen (3,3 Milliarden Euro). Erkenntnis: So wie die Ausgaben beim Stromkunden steigen, so steigen die Gewinne der Stromanbieter.
In Deutschland dominiert ein Oligopol aus RWE, E.on, Vattenfall und EnBW. Alle vier Konzerne besitzen 82 Prozent der Kraftwerkskapazität, liefern 89 Prozent der Strommenge und haben 60 Prozent Großkunden. Der Privatkunde ist in dieser Konstellation nur Bittsteller und ein Opfer, welches zu schlachten gilt.
Die Industriepreise bleiben stabil niedrig
Quelle: Agentur für erneuerbare Energien
Die Grafik zeigt, wer die Stromparty zahlt: der Privathaushalt. Während in den letzten 13 Jahren der Preis für den Industriestrom kaum oder nur unmerklich angestiegen ist, hat der Preis für den Privathaushalt eine Steigerung von knapp 50 Prozent erfahren. Die Privathaushalte haben keine Lobby und keine Macht, die Kostensteigerung zu entschleunigen. Im Gegenteil: sie finanzieren den günstigen Strom für die Industrie.
Geschenke für stromintensive Industrie
Erst vor wenigen Wochen wurde beschlossen, dass energieintensive Unternehmen eine Ausgleich von 300 Millionen Euro erhalten sollen. In 13 Branchen soll mit der Kompensation die „Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie“ sichergestellt werden, so Bundeswirtschaftsminister Rösler gegenüber dem Handelsblatt. Es sollen nur jene Unternehmen gefördert werden, bei welchen wegen ihres hohen Energieverbrauchs die Gefahr einer Verlagerung ins Ausland besteht.
Philipp Rösler: „Bei der Strompreiskompensation geht es um den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland„. Die Industrie verbraucht 20 Prozent der allgemeinen Strommenge, beteiligt sich jedoch nur zu 0,3 Prozent an der EEG-Zulage.
Die Schweiz hat vor wenigen Tagen das deutsche Industrie-Modell kopiert, nennt es selber aber das „Fördermodell zur kostendeckenden Einspeisevergütung“ – kurz KEV. Auch in der Schweiz wird die Industrie massiv von der Zulage befreit. Denn wenn in Deutschland Arbeitsplätze in Gefahr sind, gilt dies auch für die Schweiz.
Apropos Sicherung von Arbeitsplätzen: Befreit von der EEG-Zulage sind auch Stadtwerke, Verkehrsunternehmen, Agrarbetriebe oder auch Golfplatzbetreiber. Alles in allem Betriebe, die gar nicht ins Ausland abwandern können und zudem auch ihren Mitarbeiterstamm nicht reduzieren können.
Geld sparen durch Anbieter-Wechsel
Von Verbraucherschutzorganisationen und Vergleichsportalen wird gern der Vorschlag unterbreitet, dass man mit einem Anbieterwechsel viel Geld sparen kann. Oft ist davon zu lesen, dass die Verbraucher wechselfaul seien. Einer Umfrage nach hat sich nicht einmal der Hälfte mit einem Wechsel beschäftigt. Häufigster Grund sei reine Bequemlichkeit. Verbrauchsportale wie Verivox versprechen Einsparungen von bis zu 20 Prozent gegenüber dem Normalpreis des regionalen Anbieters.
Die Nachteile werden dabei gern ausgeblendet: Vorkasse, einmalige Einsparungen durch Bonuszahlungen oder generell nur äußerst magere Einsparungen von ein oder zwei Prozent. Zudem ist ein Wechsel immer mit einem Aufwand verbunden. Recherchieren, vergleichen, Fallstricke ausfindig machen, Bewertungen lesen und vieles mehr. Die eigene Arbeitszeit darf man bei solch einem Anbieterwechsel nicht berücksichtigen, sonst zeigt die Rechnung gar keinen positiven Effekt.
Man ist und bleibt auch bei einem Anbieterwechsel der Spielball der Stromindustrie. Und ob Atomausstieg, EEG-Zulage oder Ökostrom, eine Regel bleibt auch weiterhin konstant: die Kosten des einen sind die Gewinne des anderen.