Internet-Überwachung: der Staat als Feind

Als der älteste Geheimdienst der Welt gilt die Römische Inquisition. Bereits vor fast 500 Jahren haben staatliche Obrigkeitspersonen – also Geheimdienstmitarbeiter – versucht, eine unerwünschte Stimmung (im Volk) zu unterdrücken, beziehungsweise bestimmte Volksgruppen zu verhindern. Damals ging es in erster Linie um den Protestantismus. Die Parallelen zu den heutigen Entwicklungen sind geradezu verblüffend ähnlich, wenn gleich es heute eher um anti-kapitalistische oder anti-autoritäre Gesellschaftsschichten geht. Kurz um: prinzipiell ist jeder Bürger ein Feind des Staates.

Von den Bürger wird der Staat selten als eine schützenswerte Institution betrachtet. Staatliche Einrichtungen wollen entweder unser Geld (Steuern) oder stellen unliebsame Regeln auf, welche kontrolliert und bestraft werden (Polizei). Die angenehmen Dinge des Lebens wie Bildungseinrichtungen, Infrastruktur oder Hilfsdienste werden dabei oft übersehen. Wir fordern permanente Kontrolle und Sicherheit, gleichzeitig wünschen wir aber auch die nötigen Freiräume. Es klingt ein bisschen nach der Quadratur des Kreises.

In der internationalen Gemengelage spielt neben der Sicherheit noch ein anderer Faktor eine entscheidende Rolle: Spionage. Welche geheimen Vereinbarungen werden in den Hinterzimmern der Machtzentralen ausgehandelt? Welche wirtschaftlichen oder politischen Ziele verfolgen die Regierungen der einzelnen Länder? Welche Standpunkte gibt es beim Thema Verteidigung oder bei der Terrorismusbekämpfung? Geheimdienste dienen in erster Linie zur Beschaffung von Informationen, welche über offizielle Wege nicht zu erhalten sind.

Wer ist in diesem „Spiel“ der Gejagte und wer der Feind?

Mit der Digitalisierung der Kommunikation und der Verbreitung des Internets ist eine neue Gefahrenquelle für den Staat entstanden: der eigene Bürger. Mit Hilfe der Vernetzung können in kürzester Zeit (unliebsame) Nachrichten verbreitet oder zu Versammlungen aufgerufen werden. Ein Staat fürchtet nichts mehr als innere Unruhen. Man bedient sich deshalb dem landesweiten Screening von Verbindungsdaten und Auswertungen der (sozialen) Netzwerke. Wo ergeben sich Auffälligkeiten? Wo zeichnen sich Häufungen von Schlüsselwörter ab? Welche Grundstimmung lässt sich damit bestimmen? Wozu es früher aufwendige Meinungsforschung bedarf, können Regierungen heute einfach über ihre Nachrichtendienste in Erfahrung bringen.

Bleibt noch das Problem der Internet-Kriminalität und des internationalen Terrorismus. Wer die Inhalte der Kommunikation kennt, kennt auch die Absichten und Ziele von unliebsamen Menschen. Auf diesen einfachen Nenner könnte man die Gründe für eine Überwachung abkürzen. Doch bei jeder globalen Überwachung trifft man auch Unschuldige, Grenzgänger oder gar Personen, denen eine falsche Identität unter geschoben wurde – Stichwort Identitätsdiebstahl.

Ein Grundproblem der Überwachungsmaßnahmen sind die utopisch hohen Kosten. Der Bürger erkennt keinen nutzbaren Mehrwert, erfährt aber dass Milliarden an Steuern dafür aufgebracht werden. Regierungsgegner behaupten sogar, dass es ab und an einen „kontrollierten“ Terroranschlag benötigt, damit in der Bevölkerung die Akzeptanz für derart teure Überwachungsmaßnamen nicht schwindet. Welche Ziele verfolgt eine Regierung mit der Überwachung? Geht es ausschließlich um den Schutz der Bürger oder handelt die Regierung nach einem eigenen Masterplan?

Wie empfindlich gewisse Regierungen auf die Enthüllungen zu PRISM oder Tempora reagieren, zeigt der jüngste Fall. Vor wenigen Wochen musste die Tageszeitung The Guardian auf staatlichen Druck einige Festplatten zerstören, auf denen Dokumente von Edward Snowden gespeichert waren. Damit sollten weitere Enthüllungen verhindert werden, hieß es aus britischen Regierungskreisen. Dass dies nicht mit der Pressefreiheit vereinbar ist, stört auf Seite der Regierung offenbar niemand. Und dann ist da noch die Festnahme und Vernehmung von David Miranda, dem Ehemann des Journalisten Glenn Greenwald (The Guardian), der wiederum maßgeblich an den Enthüllungen zu PRISM mitgearbeitet hat. Herr Miranda wurde über 8 Stunden lang auf dem Londoner Flughafen festgehalten und verhört. Amnesty International spricht von einem Racheakt.

Selten haben die Regierungen so deutlich ihr hässliches Gesicht gezeigt wie bei den Enthüllungen zu den Überwachungsmaßnahmen. Der Kampf hat sich verlagert. Es geht nun nicht mehr – wie immer behauptet – um den Terrorismus sondern um die eigene Bevölkerung. Circa 75 Prozent des gesamten Internetverkehrs wird abgefangen und gefiltert. Dies gefährdet nicht nur die Freiheit jedes Einzelnen sondern ist auch ein Angriff auf den Rechtsstaat.

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