Wenn Microsoft ein neues Windows ankündigt, rauscht es meist gewaltig im Blätterwald. Wer liefert die ersten Screenshots, wer berichtet über die neusten Veränderungen der Benutzeroberfläche, vielleicht gibt es jemanden mit relevanten Benchmarks .. und wer weiß schon jetzt, wann das neue Betriebssystem erscheinen wird. Von Microsofts Windows sind mittlerweile zig Millionen Menschen weltweit beruflich bzw. finanziell abhängig und daher ist es weit aus mehr als logisch, dass jegliche Regungen des Konzerns aus Redmond sehr genau aufgenommen werden.
Mit Windows Vista lief für Microsoft nicht alles so wie geplant. Zum einen hinken die Verkaufszahlen weit hinter den anvisierten Mengen zurück und zum anderen ist Windows Vista technisch gesehen eine einzige Katastrophe. Rechner mit Vista verweigern ihren Dienst, weil Treiber (immer) noch nicht richtig funktionieren oder gar nicht vorhanden sind, Programme bewältigen die Anforderungen für das neue Windows nicht und der Benutzer ist genervt vom neu eingeführten UAC (User Account Control). Auch benötigt Vista viel zu hohe Anforderungen an die Grafik um die neue Benutzeroberfläche Aero ruckelfrei auf den Bildschirm zu bringen. Wer also die Möglichkeit hat, bleibt bei Windows XP oder besorgt sich durch ein Upgrade die ältere Windows-Version. Selbst Microsoft räumt mittlerweile für Windows XP eine längere Supportzeit ein als für Vista. Für Microsoft ist Windows Vista eine einzige Katastrophe, finanziell gesehen ebenso wie marketingtechnisch.
Mit dem Vista-Nachfolger soll nun alles besser werden. Am Kern des Betriebssystems möchte man nicht all zu viel ändern bzw. erweitern. So bleibt es bei Windows 7 beim bereits erfolgreich eingesetzten Kernel des Windows Server 2008. Ansonsten möchte man sich vermehrt der Optik kümmern; wichtige Umbauarbeiten am System schiebt man somit weiter vor sich her. In seiner letzten Rede im Namen des Microsoft-Konzern betonte Bill Gates, dass für Windows 7 eine Steuerung per Gesten oder mit Hilfe eines Multi-Touch-Displays geplant sei. Die größten Änderungen betreffen somit vorerst nur die Bedienoberfläche Aero. Erste inoffizielle Screenshots zeigen eine veränderte Anordnung der Symbole, der Programm- und Startleiste. Auch die Widgets bekommen einen neuen Platz auf dem Desktop. Für Microsoft ist es wohl wichtiger, buntes Beiwerk an die oberste Priorität zu setzen. Technische Feinheiten stehen hinten an.
Für Microsoft wäre es indes wichtiger, sich um echte Innovationen zu kümmern. Windows wird immer mehr zu einem nicht mehr zu kontrollierenden Bollwerk aus tausenden von DLL-Dateien, unzählig vielen Registry-Zweigen, undurchschaubaren Verschachtelungen und Virtualisierungen von Verzeichnissen und einer zunehmenden Verwirrung des Benutzers; UAC und anderen „tollen“ Diensten sei Dank.
Wirkliche Innovationen wie ein wieder aufgegebenes WFS (Windows File System) oder eine grundlegende Überarbeitung der Software-Bibliotheken würden dem System gut tun, um endlich alte Zöpfe aus Uralt-Versionen ab zu schneiden. Abwärtskompatibilitäten sind in vieler Hinsicht wichtig, doch oft führen sie auch zu einer kaum zu lösenden Abhängigkeit. Dass Microsoft etwas unternehmen muss, um der weiter ansteigenden Beliebtheit von Mac OS und den Linux-Derivaten etwas entgegen zu setzen, dürfte auch der Konzernabteilung in Redmond klar sein.
Doch bei der Microsoft Corperation macht man indes das, was man über Jahre hin schon perfekt konnte: man blendet die Presse und schlussendlich auch den geneigten Nutzer mit Blickfängen. Hübsch aussehen ist alles. Was unter der Haube sich tut, ist erst einmal unwichtig. So genanntes „eye candy“ verkauft sich in Pressemitteilungen auch besser als Auflistungen technischer Details. Ob Microsoft mit dieser Tour erfolgreich sein wird? Schwierig ein zu schätzen. Glücklich ist der gewählte Weg auf keinen Fall – und für die Konkurrenz wie Apple ein gefundenes Fressen jetzt erst recht mit Innovationen und benutzerfreundlichen Programmen zu punkten.