Was wurde nicht alles über die Demo am 11. Oktober in Berlin geschrieben. Die einen sagten „Da kommt doch eh kaum jemand.“ Die Polizei hingegen schätze bereits im Vorfeld vorsichtig auf 30.000 Teilnehmer. Doch der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hatte ganze Arbeit geleistet. Und das Wetter spielte den Veranstaltern noch zusätzlich in die Hände. Von der Polizei wurden zu Beginn der Demo etwas schwache Zahlen gemeldet (ca. 15.000 Teilnehmer). Da der Platz rund um den Neptunbrunnen – nahe dem Alexanderplatz – jedoch nicht sonderlich groß ist, war auch die dort versammelte Menge nicht wirklich groß.
Die Lage ist nicht zu unterschätzen. Bereits Anfang des Jahres hatten ca. 30.000 Bundesbürger sich einer Massenklage (vor dem Bundesverwaltungsgericht) gegen die Vorratsdatenspeicherung angeschlossen. Die sechsmonatige Speicherung aller Verbindungsdaten (E-Mail, Fax, Festnetz, Mobiltelefon) steht in starkem Kontrast zum Schutz der Privatsphäre. Diese existiert de facto mit der VDS (Kurzbezeichnung) nicht mehr. Auch das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung wird einem immer mehr abgesprochen.
Der Schutz der privaten Daten und der eigenen Privatsphäre wird immer wichtiger. Die letzten Tagen haben eindrucksvoll gezeigt, was mit persönlichen Daten passieren kann. Von T-Mobile geistern seit Monaten die Daten von 17 Millionen Verträgen durch das Internet. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch alle Daten „unter Kontrolle“ und die Datenschützer des rosa Riesen haben alle verloren gegangenen Daten sichergestellt. Was wie ein schlecht gelungener Kalauer aus einer Karnevalssitzung klingt, wird jedoch von der Staatsanwaltschaft und von T-Mobile ernst genommen. Daten lassen sich nicht kopieren und vervielfältigen. Nein! Einmal eine CD-ROM gesichert und damit ist der Fall erledigt. Ist wirklich das ganze Volk so dumm und glaubt diese Ausreden?
Die Demonstranten gegen die VDS in Berlin sahen dies zumindest anders. Die friedlich demonstrierende Menge marschierte lauthals vom Alexanderplatz, über die Straße unter den Linden, vorbei am Reichstag bis hin zum Brandenburger Tor. Die Demo verlief absolut friedlich ohne nennenswerte Zwischenfälle. Vom Punk, über den Informatiker und der Hausfrau, bis hin zum Schlipsträger waren alle Schichten der Gesellschaft vertreten. Die Hauptthemen waren die VDS im allgemeinen, die E-Card (elektronische Gesundheitskarte), das Zentrale Melderegister sowie die Personenidentifikationsnummer der Finanzämter.
Eine Performance-Gruppe zeigte ein lustig-trauriges Schauspiel: sie huldigten alle auf dem Weg liegenden Überwachungskameras. Vor den vielen Bürokomplexen rund um den Reichstag und Unter den Linden war die Auswahl an Lobesobjekten sehr groß. Die Gruppe wollte damit das blinde Vertrauen in Überwachungskameras demonstrieren. Die Bevölkerung schreit permanent nach stärkerer Überwachung (in U-Bahnen, auf Straßen und Plätzen) und vergisst dabei, dass sie somit alle paar Minuten von einer Videokamera aufgezeichnet werden. „Damit kann man viele Verbrechen aufklären!“ ist eines der Hauptargumente für die Berfürworter. Keines der Verbrechen kann man damit hingegen im Vorfeld vermeiden. Und man hat keine Wahl, nicht aufgezeichnet zu werden. Unsere Politiker brauchen jedoch nur das Wort Terror in den Raum werfen, und schon ist bei den Befürwortern der Glaube in die Überwachungskameras wieder hergestellt.
Am Schluss der Demo – vor dem Brandenburger Tor – musste gar die Polizei die Zahl der Demonstranten korrigieren. Es wurden ca. 50.000 Teilnehmer gezählt. Der Veranstalter verkündete jedoch die Zahl von 100.000 Demonstranten. Beides ist (wohl) falsch. Ein Blick entlang der Straße des 17. Juni zeigte eine große Schar an Menschen von selbst geschätzten 80.000 Personen. Es ist nur schade und zugleich beschämend, dass in den Medien stets nur von knappen 10.000 Demonstranten gesprochen wird. Will man damit das Interesse einer kritischen Masse kleinreden?