Assi-Theater aus der Hauptstadt

Wochentags läuft auf RTL-2 die Sendung Berlin – Tag & Nacht, jeweils von 19 Uhr bis 20 Uhr. Das ist so eine Mischung aus Big-Brother, Ballermann-Party, Kommune 1 und ein paar Szenen aus Berlin. In der Beschreibung der Produktionsfirma Filmpool heißt dazu es: „Sie sind jung, sie lieben Berlin und sie wohnen in der coolsten WG der ganzen Stadt. […] Dabei wird es nie langweilig – Liebe, Eifersucht, lange Clubnächte und die Suche nach ihrem Platz im Leben in der Hauptstadt – das ist Berlin – Tag & Nacht!

Die gescriptete Soße, welche RTL-2 jeden Abend sendet, nennt sich Realtainment – also „echte Unterhaltung“. Wobei das „echt“ sich auf den Bereich „non-fiction“ bezieht. Fernsehleute verstecken ihre Arbeiten gern hinter verqueren Bezeichnungen. Man zeigt reale Situationen aus dem normalen(?) Alltagsleben mit gecasteten Laiendarsteller und sendet das Ganze dann als  Real-Live-Doku. Solch ein Format ist einfach und kostengünstig produziert. Man benötigt nur einen Drehort, welcher prinzipiell überall sein kann und ein paar zeigefreudige Selbstdarsteller, die gern mal ins Fernsehen möchten. Die nötigen Handlungen schreiben ein paar Berufspraktikanten. Von dem erfährt der Zuschauer allerdings nichts.
Langweilig ist das gesendete Material dennoch. Der televisionäre Mundgeruch reicht vom sächsischen Dialekt eines Mitbewohners – aus der coolen Berliner WG – bis hin zu diversen Innenansichten der Wohngemeinschaft. Also im Prinzip ein Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten aus einem offenen Fernsehstudio. Die langen Clubnächte oder das bunte und lebensfrohe Gesicht Berlins sieht man nur in den Handlungspausen. Da wird für wenige Sekunden eine Totale vom Potsdamer Platz gezeigt oder ein Schwenk auf einen ordinären Kreuzberger Innenhof. Außenaufnahmen sind eben wetterabhängig, aufwendig und für die vielen Problemgespräche der WG-Bewohner eh kein idealer Ort. Für den Aufnahmeton quatscht es sich in geschlossenen Räumen immer noch am besten. Für das Nonenspalaver ist es sowieso besser, wenn es nicht auf offener Straße ausgetragen wird.

Produziert werden die – vorerst – 120  Folgen von der filmpool Film- und Fernsehproduktion GmbH aus Hürth. Eine Fortsetzung dieser Sendung ist allerdings schon so gut wie sicher. Denn nicht nur bei filmpool freut man sich über den Erfolg. Auch RTL-2 findet Gefallen an dem Format; die Zuschauerquote spricht dafür. Es werden bereits neue „Opfer“ gesucht: man sollte zwischen 25 – 45 Jahren alt sein, warum auch immer möglichst fließend Italienisch sprechen können und aus Berlin kommen. Als Casting-Kandidat hat man generell höhere Erfolgschancen, wenn man als Kerl aufgepumpte Muskeln und als Frau viel Solariumbräune vorweisen kann. Tattoos und Piercings sind ebenfalls ein Bewerbungsplus. Wer also halbwegs fernsehtauglich aussieht und sich ein paar Regieanweisungen merken kann, hat beste Chancen, in der coolsten WG Deutschlands aufgenommen zu werden.

Doch was verpasst man, wenn man die Sendung noch nie gesehen hat? Absolut nichts! Es geht um den Wunsch nach größeren Titten, Zoff mit dem (Ex)-Freund, Kopfschmerzen nach der Partynacht und sonstige belanglose Scheiße.  In Berlin – Tag & Nacht wird Alltags-Trash zur Serie verwurstet und der Zuschauer erfreut sich daran. Die richtige Zielgruppe vorausgesetzt, passt dieser TV-Müll abends perfekt zu einer Fertigpizza. Wer möchte schon die komplizierten Themen serviert bekommen? Politik, Finanzen oder Gesundheit könnte man zwar in solch einem Format ebenso verarbeiten, würde aber schlussendlich wohl den RTL-2-Zuschauer überfordern. Bevor das Feierabendbier schal wird, beschränkt man sich lieber auf die soften Themen.
Nicht nur wegen der schlechten schauspielerischen Leistung wirkt das Format billig. Es ist eben auch billig gemacht. Welcher verpickelte Storywriter denkt sich die Geschichten aus, die täglich von den WG-Bewohnern „durchlebt“ werden? Bekommt der überhaupt Geld für seine Ideen? Und was bekommen die Laiendarsteller an Gage? Oder sind die nur froh, überhaupt im Fernsehen gelandet zu sein? Meine Oma würde konstatieren: von denen hängt schon keiner tagsüber auf der Straße rum.

Man sagt ja gern, der Fernsehzuschauer sieht das, was ihn interessiert. Und es wird genau jenes produziert, was nachgefragt wird. Dem ist nichts entgegen zu setzen. Es soll auch keine Vorschriften darüber geben, welches Format produziert werden darf oder nicht. Sender und Produzenten stehen jedoch in einer gewissen Pflicht, dem Zuschauer keine falschen Tatsachen vorzutäuschen. Doch genau dies erlebt der RTL-2-Konsument bei Berlin – Tag & Nacht. Die Aufnahmen sind eben nicht per Zufall entstanden, sondern sind Teil einer gescripteten Story. Denn ganz am Schluss einer Folge wird für wenige Sekunden folgender Hinweis eingeblendet: Alle handelnden Personen sind frei erfunden.

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2 Kommentare

  1. Ich kann dem nur zustimmen. Das ist der reinste Müll vom TV-Schrottplatz. Frisch aus der Tonne. Was sch***en mich die Pseudoprobleme von irgentwelchen Opfern, die sich für sowas hergeben. Das beste sind immer noch die Fans, die Verteidigen die Sendung, wie alte Frauen ihre Katzen. Und wehe du sagst, dass sei erfunden, dann kommt ein Vortrag mit Anzeichen, dass die Sendung real sein MUSS. Verweist man auf den Hinweis, alle Personen (damit auch ihre Handlungen) sind erfunden, so wird man ignoriert oder der Hinweis wird „übersehen“. So eine Sendung gehört verboten.
    Und die Regierung beschwert sich über immer dümmere Schüler…ach woher denn?

  2. Ja, Berlin Tag und Nacht ist ein sehr cleveres Format, dem es gelungen ist, Social Media perfekt mit TV, PR und Produkt-Marketing zu verbinden. Erst baut man sich Akzeptanz in der jungen Zielgruppe auf (sprich, schleimt sich ein), holt örtliche Clubs an Bord und lädt irgendwelche langweiligen Produkte, die sich teuer in die Sendung einkaufen, mit „Coolness“, scheinbarer „Authentizität“ und gefakten Beiträgen in Foren auf. Leider kann man die Gehirnerweichung, die bei Millionen jungen Menschen durch die Dauerberieselung von Werbung stattgefunden hat, nicht mehr rückgängig machen. Deshalb fällt es ihnen auch nicht auf, dass das Skript doch nur eine miese frauenfeindliche Porno-Welt verkauft, in der nur dicke Ti..en und Muskeln zählen und in der man „schnell zur Sache“ kommt. Nun würde es mich auch nicht wundern, wenn sich herausstellen würde, dass einige Darsteller mal in Pornos mitgemacht haben.

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