Damit wir uns zu Beginn nicht sofort missverstehen. Mit Anspruch ist das Synonym für Anrecht oder Berechtigung gemeint. Den kulturellen und künstlerischen Anspruch dieser Musikgattung möchte ich hier nicht erörtern. Nichts liegt mir fernen, die musikalischen Vorlieben anderer Leute zu verurteilen. Der eine hört nun einmal gerne Klassik, der andere Rap und der nächste eben Volksmusik.
Beim ZDF ist man dabei, im großen Stil die Volksmusiksendungen aus dem Programm zu schmeißen. Dagegen regt sich nun offizieller Widerstand. Gibt es ein Recht auf Volksmusik?
Jugendliche halten die beiden Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF für ziemlich überholt. Redet man über die ARD, fallen einem sofort die großen Volksmusiksendungen ein: Musikantenstadl, Das Winterfest der Volksmusik, Das Sommerfest der Volksmusik usw. Auch beim ZDF kann man wöchentlich die volle Packung Volksmusik konsumieren: Lustige Musikanten, Grand Prix der Volksmusik und wie sie alle heißen.
Der durchschnittliche Zuseher bzw. Zuhörer beim Zweiten Deutschen Fernsehen ist weit über 50 Jahre alt und ist nicht interessiert an Klingeltonabos. Die Volksmusik der Öffentlich Rechtlichen bildet für die Senioren den erhofften Ruhepol. Für jüngere Zuschauer ist solch ein Programm eher ein Gräuel. Jugendliche wechseln daher ungern zum Programm vom ZDF. Damit soll nun Schluss sein. Das ZDF möchte sich jünger geben. Das Programm soll frischer und jugendlicher werden.
Konkret geht es um 12 Sendungen der Lustigen Musikanten. Sie sollen auf sechs Ausstrahlungen reduziert werden. Das Moderatorenduo Marianne und Michael hätte damit weniger Arbeit und viele alte Zuseher ein kleines Problem. Dagegen regt sich nun erster Widerstand. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlager und Volksmusik arbeitet an einer Klage gegen das ZDF. Ihre Begründung: Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz. Manfred Knöpke, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sagt hierzu: „Wenn die Sender alle Volksmusikshows aus den Programmen nehmen, weil ihnen die Zuschauer zu alt sind, werden gleich mehrere Bevölkerungsschichten ausgegrenzt„.
Der Verein Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlager und Volksmusik zählt ca. 12.000 Mitglieder und bildet damit eine enorme wirtschaftliche wie personelle Kraft. Der Interessenverband aus Künstlern, Managements, Plattenfirmen und anderen Institutionen lebt von den Einnahmen aus der Volksmusik. Wird dieser Zweig der Vermarktung eingedampft, geht es um die Existenz vieler Personen und Firmen. Doch darf dies als Rechtfertigung für die gleichbleibende Überbeschallung mit Volksmusik herhalten?
Die Öffentlich-Rechtlichen Sender haben einen Grundversorgungsauftrag zu gewähren. Dabei geht es nicht nur darum, dass jeder in Deutschland an jeder Ecke deren Programm empfangen kann. Nein, es geht im Grundversorgungsauftrag auch um die ausgewogene Verbreitung von Inhalten. Dazu zählen Nachrichten ebenso wie der Kulturauftrag. Doch darf und muss sich dieser ausschließlich auf Volksmusik begrenzen? Was ist mit anderen Musikrichtungen? Was ist mit Rock oder Pop? Oder mehr Klassik? Und was ist mit den vielen modernen Musikstilen wie Hip Hop oder R’n’B? Diese scheinen beim ZDF kein Recht auf Grundversorgung zu genießen. Schlussfolgert man der Begründung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlager und Volksmusik, dann darf es außer Volksmusik nichts anderes beim ZDF geben.
Leben wir in einer gleichgeschalteten TV-Welt? Gibt es bei den Öffentlich-Rechtlichen nur ein Programm für die über 50-Jährigen? Was ist mit dem Rest der Bevölkerung? Ist es nicht auch eine Art von Antidiskriminierung, wenn man als 30-Jähriger bei ARD und ZDF nur die Auswahl zwischen Volksmusik und Volksmusik hat? Ich hoffe stark, dass der Verband seine Klage gegen das ZDF sich noch einmal gründlich überlegt. Sollte es hingegen trotz aller schlechter Kritik gegen diesen Interessenverband zu einer Klageeinreichung kommen, so wünsche ich dem ZDF einen langen Atem und ein gutes Ende. Ein bisschen Multikulti und Querbeet-Kultur würde dem ZDF gut zu Gesicht stehen. Wir werden zwar alle mal alt, aber dies soll nicht bedeuten, dass alle Heranwachsenden im späten Alter nur die Volksmusik als die wahre Musikrichtung erachten.
Bit dem zweiten Ohr hört man besser – auch wenn viele auf dem zweiten Auge blind sind.