Berliner Stadtplanung im Tiefflug

Berlin ist eine Weltmetropole mit fast 3,6 Millionen Bewohnern. Eine riesige Verwaltung mit mehreren Tausend Mitarbeitern kümmert sich um jegliche städtische Angelegenheit: vom Kindergrippenplatz bis zur Fahrradspur auf dem Ku’damm. Doch in manchen Gebieten erlebt man eine geradezu ländliche Naivität und eine gefährliche Gelassenheit. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ist hier besonders hervor zu heben. Viele wichtige Projekte werden entweder stoisch ausgesessen oder völlig unausgewogen geplant.

Flughafen BER

In weniger als 30 Tagen eröffnet der neue Flughafen Berlin Brandenburg (IATA-Code: BER). Am 3. Juni 2012 wird offiziell die erste Maschine abheben. Millionen von Flugreisende werden vom neuen Airport „Willy Brandt“ profitieren, denn er löst zwei in die Jahre gekommene City-Airports ab. Tegel leidet schon seit Jahren an Platzproblemen. Auf dem Rollfeld drängt es sich ebenso wie in den Abfertigungshallen. In Schönefeld kann man den Ostcharme noch förmlich riechen oder sich wundern, wieso man in einer einfachen, provisorischen Blechhütte abgefertigt wird.

Einen Flughafen zu planen, zu bauen und zu betreiben ist das eine. Die Nöten und Sorgen der Bevölkerung im Dialog zu behandeln ist das andere. Schon seit der Planungsphase ist klar, dass rings um die Ortsteile Schönefeld und Blankenfelde-Mahlow der Fluglärm zunehmend wird. Da macht es keinen großen Unterschied, ob ein Flugzeug gleich nach dem Start nach links oder rechts abdreht. Wer in der Einflugschneise wohnt, dem donnern jetzt oder später die Düsenjets über das Grundstück. Die Politik verweist gern auf die ökologische Gesamtbilanz: mehr als 200.000 Menschen rings um Tegel werden entlastet und nur ca. 50.000 um Schönefeld neu belastet. Es ist klar, dass die Flughafengegner nicht aus Tegel stammen.
Der Streit um Nachtflugverbot, Flugrouten und Fluglärm ist kaum mehr zu durchschauen. Wer hat recht, wer versucht Profit daraus zu schlagen und wer mimt eventuell den Ahnungslosen? Die Betreibergesellschaft und die Stadtverwaltung haben die Angelegenheit unnötig eskalieren lassen. Selbst das Bundesverfassungsgericht wurde angerufen, in der Streitfrage zu klären. Da die Entscheidung pro Flughafen ausgefallen ist, versuchen es die Gegner mit (weiteren) Demonstrationen. Beides ist relativ sinnfrei.

Fest steht, dass der Flughafenbetreiber, die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (Stadt Berlin und Land Brandenburg), viel zu lange gewartet haben mit dem Schallschutz. Und erst vor wenigen Wochen hat man das Maßnahmenprogramm erweitert und finanziell aufgestockt. Man versucht wohl die Anwohner damit milde zu stimmen. Demonstrationen gab es schließlich schon viele.

Flughafen Tegel

Wenn am 3. Juni der Flugbetrieb am neuen BER aufgenommen wird, endet schlagartig der komplette Betrieb am alten Flughafen Tegel. Von der Service-Fachkraft bis zum Fluggast werden alle dann nur noch Richtung Schönefeld fahren. Dies bedeutet, dass das alte Gebäude von heute auf morgen leer stehen wird. Der größte Teil der Ausstattung und der komplette Fuhrpark ziehen in der Nacht zum 3. Juni nach Schönefeld um. Wer nach diesem Tag dann noch in Tegel beschäftigt ist, kümmert sich nur noch ums Aufräumen.

Auch für die umliegenden Geschäfte, Kioske und Imbissbuden endet am 2. Juni eine wichtige Einnahmequelle. Zehntausende Angestellte kaufen sich dann die belegte Stulle woanders und umliegende Hotels werden massenweise freie Zimmer melden. Alle Anwohner aus dem Raum Tegel werden allerdings am 3. Juni aufatmen und eventuell leicht irritiert nach oben schauen. Die Flugzeuge werden fehlen.

Viel entscheidender ist jedoch die Frage der Nachnutzung. Wie geht es mit dem stillgelegten Flughafen weiter? Was macht man mit einem Gelände mit 4,6 Millionen Quadratmeter? Platz ist reichlich vorhanden. Denkbar ist vieles: von der Firmenzentrale, über Messestandort bis hin zu einer Hochschule. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge- Reyer  bevorzugt hingegen einen „Forschungs- und Industriepark für Zukunftstechnologien„. Das Flughafen-Gelände könne das „industrielle Fundament“ der Stadt werden. Betrachtet man die Aussage nüchtern, würde ich sie folgendermaßen kommentieren: Wir haben keine Ahnung, aber wir halten schon einmal blumige Reden.

Realistischer ist hingegen der Flughafen-Architekt von Gerkan. Er meint, dass die Stadtverwaltung schnell handeln müsse, damit das Gebäude nicht zu lange leer steht. Die Graffitisprayer werden nicht lange warten. Damit das Gebäude nicht dem Vandalismus zum Opfer fällt, ist ein teurer Wachschutz nötig. Doch was macht man mit dem riesigen Gelände? Noch hält der Zaun unerwünschte Eindringlinge ab.

Die Zukunft von Tegel kostet Geld. Dies steht außer Diskussion. Doch die Nachnutzung wird für die Stadt nicht günstiger, je länger man wartet. Es wird gar schon gemunkelt, dass ein Verfall des Gebäudes allen recht praktisch kommen würde. So könnte man den unschönen „Betonbunker“ in der markanten Sechseckform endlich abreißen und etwas Neues hinstellen.

Flughafen Tempelhof – Zentralbibliothek

Noch ein Flughafen und ein riesiges Gelände, welches einen „Nachmieter“ sucht. Seit dem 30. Oktober 2008 hebt dort kein Flugzeug mehr ab. Der Flugbetrieb ist eingestellt. Doch was macht man mit einem Gelände mit 3,8 Millionen Quadratmeter in bester City-Lage? In Berlin jedenfalls macht man einen übergroßen Park daraus. Viel Veränderungen sich dazu nicht nötig. Hier ein zusätzlicher Zaun für einen Hundeauslauf, dort ein paar Blanken für Grillstationen, Striche auf die ehemalige Start- und Landebahn gemalt und ein paar Sportgeräte aufgestellt.  Im Jahr 2017 soll auf dem Gelände die Internationale Gartenschau (IGA) stattfinden. Für 2020 ist die Internationale Bauausstellung (IBA) geplant. Bis dahin bleibt es eine übergroße Wiese.

Im denkmalgeschützten Gebäude fanden zwischenzeitlich die  Modemesse Bread & Butter und die Jugendmesse YOU statt. Übrigens: das bogenförmige Gebäudes hat eine Gesamtlänge von ca 1,2 Kilometer und ist somit eines der längsten Gebäude Europas.
Ein Investor wollte das Gebäude zur Luxusklinik mit Flughafenanbindung ausbauen. Wieder andere wollten ein überdimensionales Museum daraus machen. Die CDU- und SPD-Kombo schmiedete allerdings andere Pläne. Für geschätzte 200 Millionen Euro möchte man das Gebäude zur Landesbibliothek ausbauen. Weil Bildung wichtig ist und der Ausbau der zwei größten Standorte scheinbar teurer kommen würde. Dass sich mit der Landesbibliothek  ein alternder Oberbürgermeister ein Denkmal setzen möchte, ist reine Spekulation.

Stadtschloss – Humboldtforum

Manche Dinge sind so überflüssig wie ein Kropf. Dennoch werden sie realisiert. Weil man über die Jahre ein paar Euro zusammenfegen konnte, weil ein paar wenige „Hochadel“-Berliner es so wollen und weil man ja irgendwie das heimische Bauhandwerk am Leben erhalten muss. Spöttisch könnte man es Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nennen. In Wahrheit ist es ein 600 Millionen Euro teurer Neubau des ehemaligen Stadtschlosses. Man versucht sich an der Rekonstruktion des alten Schlosses. Allerdings nicht 1:1, da dies finanziell undenkbar wäre. Also beschränkt man sich beim Nachbau auf eine originalgetreue Fassade. Bis auf die Rückseite. Diese wird als Betonwand geplant. Wegen der Kosten.

Der Platz (auf der Museumsinsel) um den es sich dreht, wurde bereits 1443 das erste Mal bebaut. Mit einer Burg. Über die Jahre wurde diese mehrmals umgebaut und erweitert. Im Jahre 1699 entstand der Umbau zum heute noch bekannten Schlüterhof. 1845 bis 1853 kam noch die markante Kuppel hinzu.
Mit der Teilung Deutschlands und Berlins stand das Schloss auf dem Gebiet der DDR.  Da das Schloss im Zweiten Weltkrieg jedoch schwer beschädigt wurde, entschloss das Zentralkomitee der SED die Sprengung und den Abriss. An selbiger Stelle entstand von 1973 bis 1976 der Palast der Republik, welcher ebenfalls 2006 abgerissen wurde.

Da Berlin wiedervereinigt ist und eben am historischen Platz mal das Berliner Stadtschloss stand, haben sich einige Politiker und Bürger gedacht, dass dort wieder das alte Schloss entstehen muss. Da es keinen Kaiser und keinen König mehr gibt, welcher im historischen Nachbau wohnen könnte, plant man ein Kultur- und Kommunikationszentrum. Man hätte allerdings auch einen überdachten Parkplatz planen können.
Da es finanziell vorne und hinten klemmt, wird es primär ein Zweckbau mit viel Beton. Drei der äußeren Fassadenwände versucht man historisch nachzubilden. Und über die Kuppel wird erst im Jahre 2016 entschieden. Bis dahin finden sich sicherlich noch ein paar Millionen, damit die Kuppel auch noch gebaut werden kann.

Der Berliner fragt sich zurecht, wozu es diesen teuren Klotz in der Innenstadt braucht. Museen gibt es bereits genügend. Kommunikationszentren ebenso. Da das Schloss bis dato niemand ernsthaft vermisst hat, könnte man eigentlich komplett darauf verzichten. Zu Teilen war es eine reine Machtentscheidung von Klaus Wowereit und seiner SDP-Kombo. Auch heutige Landesfürsten setzen sich gern ein Wahrzeichen.

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