Unter dem Aktenzeichen VIII ZR 198/10 hat der Bundesgerichtshof ein grundlegendes Urteil für Mietwohnungen gefällt: ein Mieter muss beim Auszug die Wände nicht zwingend weiß streichen. Und wie so üblich bei Urteilen, gibt es auch in diesem Fall Gewinner und Verlierer.
Ein Vermieter sieht in einer bunten Wand eine Wertminderung bzw. eine erschwerte Aussicht auf Vermietung. Vermieter waren bis dato sehr erpicht darauf, dass man beim Auszug alle Wände weiß gestrichen hat. Schließlich soll der Nachmieter schnell einziehen können und sich nicht an knallbunten Wänden erregen.
Der Mieter steht es während der Mietzeit frei, die Wohnung – samt Wände – nach seinem persönlichen Vorlieben anzupassen. Und wenn nun mal jemand auf lilablassblaue oder zartrosa Wände steht, ist dies das gute Recht des Mieters. Doch wer möchte schon als Nachmieter gern die Geschmackssünden des Vormieters ertragen. Einer von beiden muss die Wände streichen.
Der BGH hat nun entschieden, dass „ eine Dekoration in anderen dezenten Farbtönen eine Weitervermietung nicht erschwert„. Der Vermieter muss also zukünftig damit leben, dem Nachmieter die Wohnung eventuell in anderen Wandfarben – außer weiß – präsentieren zu können.
Ich finde diese Entscheidung wichtig und richtig. Ich bin kein Vermieter, daher rede ich aus Sicht des Mieters. Aber um den geht es bei dieser Entscheidung schließlich auch. Ich möchte mich mich in meiner angemieteten Wohnung wohl fühlen. Dazu zählt unter anderem die individualisierte Gestaltung der Wände. Wenn nun mein Vormieter alles in sandgelb gestrichen hat, so stehe ich persönlich eher auf weiß. Früher hätte der Vormieter alles umstreichen müssen. Doch macht er das gern? Nein. Wie waren also die Ergebnisse? In der Schule hätte man die Noten Befriedigend bis Genügend verteilt. Farbspritzer auf dem Boden, nicht sauber abgedeckte Fenster- und Türrahmen, übermalte Schalter und Steckdosen, usw. Wer streicht schon gern beim Auszug noch die alte Wohnung?
Das Urteil ist völlig in Ordnung. Wenn ich in eine Wohnung einziehe, erwarte ich entweder komplett modernisierte und bezugsfertige Zimmer oder aber die farblichen Altlasten des Vormieters. Vor dem BGH-Urteil wären die Wände irgendwie weiß gewesen. Meist wollte und konnte man mit dem Ergebnis aber nicht leben, also hat man die Weißfärberei des Vormieters nochmals wiederholt. Oder man greift gleich zum Farbeimer und streicht mit einer anderen Farbe drüber. Dafür hätte der Vormieter aber nicht erst alles mit Weiß überpinseln müssen.
Bevor ich die unbefriedigenden Farbspielchen meines Vormieters mit neuer Farbe übermale, kann ich auch gleich selbst zum Farbeimer greifen. Es streicht zukünftig eben immer der, der neu in die Wohnung zieht. Da man sich nach dem Urteil nicht mehr um die alte Wohnung kümmern muss, hat sich der farbliche „Schaden“ nur verschoben.
Das alles ist nur dann zutreffend wenn es irgendwelche Vereinbarungen im Mietvertrag gibt! Solange da nichts von Renovierung drin steht, muss man das auch nicht tun – die Wohnung gehört dem Vermieter und der muss sich darum kümmern. Wenn er nur mit einer renovierten Wohnung Mieter findet. dann ist das eben sein Problem. Es hat sich mit der Zeit nur leider eingebürgert dass Vermieter diese Arbeit (und Kosten) gern irgendwem anders aufbürden – also dem Mieter, so dass die Bevölkerung inzwischen davon ausgeht, dass man das machen *muss*.