Im Onlinehandel – neudeutsch auch E-Commerce genannt – steckt die Zukunft. Dies ist zumindest die Aussage von vielen großen Handelsunternehmen. Erfolgreiche Beispiele dafür gibt es viele: Amazon, Zalando oder DocMorris. Doch nicht in jedem Unternehmen läuft es derart erfolgreich. Wieso und warum der deutsche E-Commerce nicht so recht funktioniert, zeigt meine Selbsterfahrung bei OTTO.
Vom Traditionsunternehmen Quelle existiert nur noch der Name und ein halbherzig geführter Onlineshop. Neckermann wird in den nächsten Wochen abgewickelt. Und Redcoon, der Onlineshop-Betreiber von Saturn und Media-Markt kämpft mit der Unternehmenspolitik, welche im Onlinehandel die selben Preise verlangt wie im Ladengeschäft. Unter diesen Bedingungen und Erfahrungen behaupte ich, dass das Versandunternehmen OTTO aus Hamburg der nächste Insolvenzkandidat werden wird. Zu gruselig ist die Kommunikation, zu chaotisch die Bestell-Verwaltung und zu verwirrend das allgemeine Kundenverwaltung. Oben drauf kommt noch eine abstoßende Werbe-Penetranz.
Von der Bestellung bis zum Werbesperrvermerk
Der Weg beginnt noch recht zuversichtlich im gut strukturierten Warenangebot. Meine Wahl ist deswegen auf OTTO gefallen, weil dort meine drei gesuchten Produkte vorrätig sind; also ab damit in den Warenkorb. Zwei Artikel sind sofort lieferbar, der dritte erst in vier Tagen. Kein Problem, ich kann warten. Noch schnell einen Standard-Coupon im Internet heraus gesucht, um als Neukunde einen Rabatt von 10 Euro zu bekommen. Kundenkonto erstellt, Gutschein eingeben, Bestellung absenden, Willkommensmail kommt, Bestellbestätigung kommt hinterher. So weit so normal.
Einen Tag später folgt die erste Verwunderung. Ein Paket per Hermes ist unterwegs an mich. Doch anstatt alle drei Produkte gemeinsam zu versenden, schickt mir OTTO separat die zwei sofort lieferbaren. Schön, dass OTTO dem Kunden keine Wahl lässt, ob man Teillieferungen überhaupt möchte. Wieder einen Tag später ist das Paket angekommen und die zweite Verwunderung: auf der Rechnung fehlt der Neukundenrabatt. Wird wahrscheinlich auf der zweiten Lieferung abgerechnet; denke ich mir auf naive Weise.
Der Rechnungsbogen ist ein Traum von Unübersichtlichkeit. Viel zu viele Informationen zusammen gedrängt auf einem Blatt. Zwischen der Auflistung der Artikel und der Endsummen kommen drei Zeilen Werbung. Wer denkt sich solch einen Scheiß aus? Gefühlt besteht die Hälfte des Blattes aus Hinweisen für Newsletter, Gewinnspielen und Schnäppchen. Dies macht eine einfache Kontrolle der für die Bestellung relevanten Informationen nicht einfacher.
Drei Tage später die nächste Verwunderung. Das zweite Paket ist per DHL unterwegs. Das Paket-Tracking zeigt irgendwann eine Zustellung im 500 km entfernten Dorsten. Per E-Mail informiere ich den Kundendienst. Dort wundert man sich und gibt einen neuen Auftrag ins System ein. Wenig später klingelt bei mir der Paketzusteller: das verloren geglaubte Paket ist da. Allerdings mit einer abweichenden Paket-ID (die letzten beiden Ziffern sind unterschiedlich). Wieder eine Mail an den Kundendienst: Lieferung ist da, Ersatzbestellung kann storniert werden.
Drei Tage später erhalte ich übrigens noch einen Telefonanruf vom OTTO-Kundenservice. Man entschuldigt sich nochmals für den EDV-Fehler. Außerdem möchte man von mir wissen, ob sonst alles in Ordnung wäre. Ich gebe als Antwort: Bringen Sie lieber ihr EDV-System in Ordnung, als erfolgreich gelösten Problemen hinter her zu telefonieren.
Ich betrachte die zweite Rechnung. Auch hier fehlt der Neukundenrabatt. Die beiden zu überweisenden Summen entsprechen genau der Originalsumme aus dem Warenkorb – ohne Rabatt. Ich schaue im Online-Kundencenter nach. Dort finde ich im Menüpunkt „Konto“ zu meiner Verwunderung den Gutschein. Fein säuberlich mit korrekter Summe aufgelistet. Ganz oben steht der Hinweis „Jetzt zu zahlen„. Die Summe ist übrigens korrekt gekürzt um 10 Euro für den Gutschein.
Würde ich den Angaben auf den Überweisungsträgern blind vertrauen, würde ich zu viel bezahlen. Wer nicht in sein Online-Konto schauen kann und will, wird den korrekten Betrag nie erfahren. OTTO spekuliert wohl darauf, dass die 10 Euro als Überbetrag für die nächste Bestellung auf dem Konto bleiben. Dies wäre zumindest noch die beste Erklärung für diese Trickserei.
Es vergehen ein paar Tage. Ich hatte OTTO und das Chaos bereits komplett vergessen. Da werde ich auf grausame Art zurück erinnert: „Ihre OTTO-Bestellung vom 19.08.2012 – Wie war`s?“ Wollt ihr das wirklich wissen? Wie masochistisch muss man als Unternehmen gelagert sein, um kotzende Pferde extra vor die Apotheke zu bestellen? Fast zeitgleich kommt noch eine zweite Mail: „Waren Sie mit unseren Service zufrieden?“ Ist diese Frage ernst gemeint?
Mit Abstand von ca. zwei Wochen kommt die nächste nervtötende Botschaft per E-Mail: „OTTO-Schnäppchen & Prozente„. Freunde, ich habe euren beschissenen Newsletter nicht bestellt. Mir schwillt der Kamm. Wenn noch so ein Werbeteil anfliegt, flippe ich aus.
Ungefähr sechs Wochen nach Registrierung und erster Bestellung verstopft der kiloschwere Hauptkatalog meinen Briefkasten. Ich habe das überflüssige Werbeheftchen im XL-Format zu keinem Zeitpunkt angefordert und auch nie die Chance gehabt, es nicht zu wollen. Es reicht! Eine kurze Mail an den Kundenservice: setzt einen Werbesperrvermerk und zwar pronto.
Ein Lehrstück wie man Kunden verliert
Eine mit Werbung überfrachtete Rechnung. Hier eine Servicemail, da ein Newsletter. Als Krönung den Hauptkatalog. Soll der Kunde schauen, wie er den verkaufsfördernden Maßnahmen wieder entfliehen kann. Ein kundenfreundliches Unternehmen setzt bei Werbung auf das Opt-In-Verfahren. Der Kunde gibt seine ausdrückliche Genehmigung. Bei OTTO herrscht wohl so viel Druck, dass man das Opt-Out-Verfahren gewählt hat.
Bei OTTO wird man auf penetrante Weise so lange mit Werbung genervt, bis es einem zu viel wird. Mich widert es an, nochmals bei OTTO zu bestellen. Die Werbeflut soll dem Unternehmen helfen, weitere Umsätze zu machen. Es kann jedoch auch gründlich nach hinten los gehen, wenn man das perverse Spielchen satt ist. Ob OTTO durch mich nochmals einen Euro Umsatz machen wird, bezweifle ich. Denn ich habe Angst vor einer weiteren Bestellung. Man weiß schließlich nicht, ob die Werbeflut danach wieder kommt.
Dem kann ich aber sowas von zustimmen Selbst mit kaufmännischen und buchhalterischen Kenntnissen bleiben Otto-Rechnungen und Buchungen ein ewiges Rätsel – oder man bestellt woanders. Eine schlechtere Darstellung ist ja fast schon nicht mehr möglich…..