Der medizinische Fortschritt ist für die meisten Kranken ein Segen. Fast Blinde können nach einer Implantation von speziellen Sensoren wieder (teilweise) sehen, Gelähmte können durch eine Operation wieder gehen, Menschen mit einem Herzbeschwerden können nach einer Transplantation wieder unbeschwert am Leben teilhaben. Fast die meisten der heutigen Erkrankungen und Verletzungen können über einen medizinischen Eingriff komplett geheilt oder zumindest teilweise gelindert werden.
Doch so schön die neue medizinische Welt auch ist, so hat sie auch ihre unverkennbaren Schattenseiten. Gerade dann wenn es sich um Grenzsituationen handelt, muss man sich die Frage gefallen lassen, wie weit der medizinische Fortschritt noch anhalten soll und darf. Für Mediziner und Ärzte gilt stets das ethische Leitbild: jedes Lebenwesen hat das Recht auf Leben. Doch ab wann bzw. bis wann ist das medizinisch unterstützte und maschinell kontrollierte Leben noch ein wahres Leben?
Frühchen können heutzutage schon ab der 28. Schwangerschaftswoche aus dem Mutterleib geholt werden. Sie verbringen dann unter Umständen mehrere Monate im Brutkasten, bevor sie die Klinik verlassen können. Es bleibt dabei nicht aus, dass bei diesen extremen Frühgeburten sich körperlich oder geistig behinderte Kinder entwickeln. Ist dies im Sinne des medizinisches Fortschritts?
Gehirntote, Menschen welche mehr 10 Jahre im Koma liegen und welche am Ende ihres natürlichen Lebensende stehen, können und werden mit Herzlungenmaschinen, Intubatoren und anderem Gerät so lange am Leben gehalten, wie es die medizinische Versorgung zulässt. Auch mit der relativen Gewissheit, dass danach doch der Tod folgen wird. Ist dies im Sinne der medizinischen Versorgung?
Wir geniesen heute einen des weitaus besten medizinischen Fortschritts. Früher mussten Personen wegen der mangelnden Fähigkeiten und Möglichkeiten der Ärzte einfach sterben. Heute jedoch können viele Leben gerettet werden. Doch ist jede lebensverlängernde Maßnahme auch im Sinne des Kranken? Die ethische Grundfrage stößt hierbei an die Ehre der Ärzte. Jedes Leben muss gerettet werden. Doch wem nutzt dieser ungebrochene Wille? In erster Linie natürlich der verletzten bzw. kranken Person. Doch auch die Krankenhäuser und Ärzte verdienen gut daran, jedem so lange zu helfen wie nur überhaupt möglich.
Im Gesundheitssystem wird immer über die ausufernden Kosten geklagt. Im Jahr 2007 betrugen die Einnahmen und somit auch die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen über 150 Milliarden Euro. Damit gehört Deutschland zu den weltweiten Spitzenreitern. Eine imense Einnahmequelle für Krankenhäuser, Ärzte, Arzneimittel- und Gerätehersteller. Es liegt einer riesigen Industrie viel daran, dass dieser Fortschritt gehalten oder gar weiter ausgebaut wird. Schließlich hat jeder ein Recht auf Leben. Doch wo sind die Grenzen? Wo ist die ethisch vertretbare Grenze erreicht? Ab welchem Punkt sollte man – mit dem natürlichen Menschenverstand gesehen – Abschied von einem Leben nehmen können? Haben die Ärzte wirklich nur unsere Gesundheit als Ziel? Oder gelten in Krankenhäusern nicht schon längst wirtschaftliche Grundgedanken zum eigentlichen Leitobjekt?
Wer möchte ernsthaft im hohen Alter noch 10 Jahre an Geräten überleben? Wer kann mit gutem Gewissen Frühchen ab der 20. Schwangerschaftswoche entbinden? Hat es ein Gehirntoter nicht eher verdient, ohne lebensverlängernde Maßnahmen aus dem Leben zu scheiden? Eine Diskussion über Leben und Tod wird zwangsweise gern unsachlich geführt, da immer ein persönliches Schicksal damit verbunden ist. Doch bei aller Freude über die medizinischen Möglichkeiten sollte man ab einem gewissen Punkt auch über Grenzen der Möglichkeiten nachdenken. Zum Leben gehört auch der Tod, auch wenn Ärzte diesen vorerst gern ausblenden möchten.