Im Januar 2009 habe ich das erste Mal an diesem Beitrag geschrieben. Auch ohne Sarrazin war damals das Thema Integration aktuell. Eigentlich ist es dies immer, nur manchmal mehr und manchmal weniger intensiv. Seit Wochen dreht sich wieder alles rund um den Islam, das Judentum oder andere nicht-deutschen Völkerstämme, die sich nicht in Deutschland integrieren lassen (wollen). Dieser Beitrag wurde nie publiziert, weil ich ihn nie als komplett empfunden habe. Nun ist der Zeitpunkt ideal, um ihn leicht aufbereitet zu veröffentlichen.
Wir wollen Ausländer integrieren, indem wir versuchen, sie getrennt in unser System zu integrieren. Dieser verbale Nonsens entspricht der Realität. Dies ist schnell erklärt. Aufrichtige Integration bedeutet, dass beiden Seiten sich aufeinander zu bewegen müssen. Laut Definition bedeutet das Wort Integration die Herstellung eines Ganzen. (Quelle: Wikipedia)
Die Fremden müssen die deutschen Gepflogenheiten kennen lernen und schrittweise einen Teil der deutschen Geschichte verstehen. Im Gegenzug müssen wir aber auch die Rituale und Besonderheiten unserer Dauergäste kennen lernen. Es nutzt nichts, einem Muslimen zu erklären, dass man im Hausflur die Schuhe auszieht, wenn man selber bei türkischen Nachbarn gern mit den Straßenschuhen hinein laufen möchte. Es richtig zu machen, ist noch die kleine Übung dabei. Es auch zu verstehen, ist das weitaus größere Problem.
Die Prägung der falschen Werte
Über Jahrzehnte hat man nie etwas für eine gelungene Integration unternommen. Die Politik sagte sich: sollen sich die unterschiedlichen Völker doch selber kennen lernen. Durch unser Schulsystem ergibt sich der Rest. Falsch gedacht. Die Schule kann einen Jugendlichen nicht prägen. Sie kann ihm/ihr aller höchstens Sozialkompetenzen beibringen. Die eigentliche Prägung erfährt der Jugendliche zu Hause von seinen Eltern. Und hier kommt der Kasus Knaxus. Ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund wird zu Hause immer die für ihn vertraute – für uns aber fremde – Kultur und Religion seiner Eltern erfahren. Im Umkehrschluss erfährt ein deutscher Jugendlicher von seinen Eltern ebenfalls nur die westliche Kultur. Ganz selten mischen sich deutsche und türkische Mitbürger bei Volksfesten, Feiertagen und Unternehmungen jeglicher Art. Immer schön getrennt bleiben, ist die oberste Rassenregel.
Seit der ersten Migrantenwelle in den 60er Jahren wäre viel Zeit gewesen, politisch etwas gegen die Befremdlichkeiten zu unternehmen. Doch statt alle in Deutschland lebenden Menschen in einem Volk zu einigen, hat man sich dem Thema nur äußerst lustlos genähert. Fremdenhass war mal mehr, manchmal weniger ein großes Thema. Doppelte Staatsbürgerschaft, Probleme mit dem sozialen Wohnungsbau, Parallelgesellschaften, usw. sind nur eine von vielen Baustellen, die die Politik in den letzten Jahrzehnten aufgerissen hat.
Über Jahre hinweg hat sich die Gesellschaft gespalten bzw. haben die unterschiedlichen Völkerstämme nie zusammen gefunden. Auf der einen Seite stehen die Bürger aus den westlichen Ländern und auf der anderen Seite findet sich der Teil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund bzw. mit einer Herkunft (vorzugsweise) aus den arabischen Ländern. Nun könnte man wild spekulieren, wieso die unterschiedlichen Völker nie zusammen gefunden haben. Sind daran die Menschen selber schuld? Oder ist es vielmehr ein falsch gesetztes Wertebild unserer Politik?
Wie oft sieht man türkische und deutsche Kinder miteinander spielen? Wie oft sieht man deutsche und türkische Jugendliche zusammen etwas unternehmen? Welcher Deutsche hat türkische Freunde und ist bei denen öfters eingeladen? Wie oft lädt man die türkischen Nachbarn ein? Mit westlichen Kulturkreisen scheint der Deutsche weniger Probleme zu haben als mit der abendländischen. Doch beruht dies auf Tatsachen oder eher nur auf Vorurteilen?
Früher hat man noch Kanakentürke sagen „dürfen“. Dann irgendwann war auch die Bezeichnung „Ausländer“ verpönt. Heute nennt man Nicht-Deutsche ganz kompliziert „Jugendliche mit Migrationshintergrund„. Peinlich. Denn wo endet die Bezeichnung Ausländer und wo beginnt der Deutsche? Beim reinrassigen, blauen Blut? Diese arischen Allmachtsphantasien hatten wir schon mal. Also, ab wann ist ein Türke kein Ausländer mehr? Oder ab wann ist ein Deutscher ein Ausländer? Wenn mein Ur-Ur-Opa aus Frankreich stammt, wieso bin ich dann kein Jugendlicher mit Migrationshintergrund? Ich bin Deutscher, weil ich hier in Deutschland geboren bin. Man könnte auch sagen, ich bin Deutscher, weil ich hier aufgewachsen bin. Doch sicherlich nicht interessant sind meine vorverwandschaftlichen Beziehungen. Es ist ja auch nicht entscheidend, dass etliche meiner deutschen Verwandten mittlerweile im Ausland leben. Demnach müsste ich nämlich Deutsch-Amerikan-Australier sein. Aber bei den uns lebenden Jugendlichen mit türkischen Eltern machen wir es extra kompliziert.
Weg mit „Jugendliche mit Migrationshintergrund“.
Schafft diese unsägliche Bezeichnung endlich ab. Keine Zeitung, kein Fernsehsender sollte mehr diese Bezeichnung nutzen dürfen. Es sind Jugendliche – prinzipiell sogar deutsche Jugendliche. Auf den Zusatz „deutsch“ kann man verzichten, wenn die Jugendlichen sich selbst nicht als „rein“ Deutsche sehen möchten. Aber Jugendliche mit Migrationshintergrund ist nicht nur selten irreführend, es ist in gewisser Weise auch menschenverachtend und sogar rassistisch. Denn wenn die Regel mit dem Migrationshintergrund für alle Jugendlichen gelten sollte, dann hätten plötzlich sehr schnell und sehr viele diesen Stempel auf der Stirn. Oder gilt das nur für die erste Generation der hier Lebenden?
Also wenn die Bezeichnung „Jugendlicher mit Migrationshintergrund“ nur für die erste Nachgeneration gilt, dann sind alle Kinder der Erwachsenen mit Migrationshintergrund gerade im Alter von ca. 10 Jahren und quälen sich durch die Grundschulen dieses Landes. Dies wären oder sind dann also deutsche Kinder. Oder sind dies immer noch Kinder mit Migrationshintergrund, nur weil Ihre Großeltern Türken, Araber oder Kurden sind? Das ist politische Hetze – spitzfindig inszeniert und platziert. So schafft man auf lange Zeit die nötige Spaltung, die man in konservativen Parteien benötigt. Denn nur wer sich aufrichtig als integriert gibt, wird akzeptiert. Genügend Musterbeispiele perfekt integrierter, eingedeutschter Türken werden gern in den Medien gezeigt.
Die Politik der 70er und 80er hatte damals schon damit begonnen, den angelockten Ausländer nur als Gast zu sehen. Gut, damals hätte man noch denken können, diese Menschen schickt man bald wieder zurück in ihre Heimat. Falsch gedacht von der Politik – oder eventuell auch bewusst falsch gelenkt. Konservative Parteien benötigen ein gewisses Grad an Feindbildern. Fremdes und Neues ist für Konservative ein Grund zum Nachdenken und eventuell auch Handeln. So spaltet man bewusst die Gesellschaft in die nötigen Lager. Dass man anders ist wie die Ausländer, bringt man durch die Wahl einer konservativen Partei zum Ausdruck.
Es war die Politik, welche die Menschen und ihre Einstellung zu Ausländern geprägt hat. Diese politische Prägung hat sich zwangsläufig von den Eltern auf die Kinder übertragen. Ich erinnere mich noch an meine Kindheit, als deutsche Mütter zu ihren Kindern sagte: „Mit den Türkenkindern spielst Du aber nicht. Die klauen, raufen und haben eventuell Läuse.“ Das Feinbild ist geformt: der Türke klaut, schlägert und ist schmutzig. Mit gesundem Menschenverstand betrachtet, wirken solche Aussagen wie Gruselgeschichten aus der Geisterbahn.
Die politische Doppelmoral
Wie soll Integration funktionieren, wenn wir in zwei Parallelwelten aufwachsen? Die Politik alleine kann dies nicht lösen, zumal sie wahrscheinlich eher an der Schaffung dieser Parallelgesellschaften beteiligt ist. Die Mehrheit ist gegen Fremdenhass. Die Mehrheit ist aber auch dafür, dass sich Migranten sich hier integrieren müssen. Politisch gesehen ist die ein kluger Schachzug. Den Rassenhass haben wir nach 1945 ablegen müssen. Doch auf der anderen Seite werden bewusst gewisse Feindbilder geschaffen: der unwillige Ausländer, der sich rein gar nicht integrieren lassen möchte. Wir verhalten uns nicht wie Gastgeber sondern eher wie der typische Blockwart. Nach dem Motto: Ich habe nichts gegen Ausländer, solange sie sich wie Deutsche verhalten.
Es wäre eigentlich gar nicht weiter tragisch, wenn sich Ausländer hier nicht sonderlich schnell oder elegant integrieren. Prinzipiell ist eine Integration gar nicht nötig. Solange sich die unterschiedlichen Völker (mehr oder minder) verstehen und friedlich nebeneinander leben, spricht nichts gegen eine Parallelgeschellschaft. Doch es ist vielmehr unsere Politik, welche tagaus, tagein für den nötigen Zündstoff sorgt. Migranten werden weiterhin als Dauergäste behandelt, mit Bezeichnungen wie „Jugendliche mit Migrationshintergrund“ sorgt man für die nötige verbale (Rassen)-Trennung und bei Statistiken hebt man gern mal den kriminellen Ausländer vor.
Und wäre dieses politische Unheil nicht schon groß genug, gießen unsere konservativen Vordenker noch zusätzlich Öl ins Feuer.
Horst Seehofer: „Multikulti ist tot„.
Angela Merkel zu Multikulti: „Dieser Ansatz ist gescheitert, absolut gescheitert.“
Wir leben zwar in einem Land mit freier Meinungsäußerung. Aber wo endet eigentlich das Wir-Gefühl und wo beginnt der Rassenhass? Ich dachte immer, diese arische Sonderstellung hätten wir längst hinter uns.