Die Loveparade zu Tode getrampelt?

Der 24. Juli wird für die Loveparade als der bisher dunkelste Tag in die Geschichtsbücher eingehen. 17 Menschen kamen bei einer Massenpanik ums Leben. Mehrere Dutzende wurden zum Teil schwer verletzt. Einige Hunderte wurden leicht verletzt. Und noch vielen weiteren wird der 24. Juli 2010 in bitterer Erinnerung bleiben.

Gegen eine Massenpanik kann man sich als Betreiber schlecht wappnen. Doch man kann entsprechende Maßnahmen treffen, damit bei einer Massenpanik die Menschen sich nicht zu Tode trampeln. Eine Hauptvoraussetzung hierfür ist, dass genügend freie Flächen zur Verfügung stehen. Hier hat der diesjährige Betreiber der Loveparade wohl nicht komplett seine Hausaufgaben gemacht. Wie ich bereits im vorherigen Beitrag darüber berichtet hatte, wie stellenweise sinnfrei die Veranstaltung organisiert war, so dezent dilettantisch muss wohl die grundsätzliche Planung gewesen sein.

Ich selbst habe in Berlin mehrere Loveparades erlebt; auch die größte mit geschätzten 1,5 Millionen Menschen im Jahre 1999. Vom Ernst-Reuter-Platz über die Siegessäule als zentraler Treffpunkt bis hin zum Brandenburger Tor erstreckte sich die Masse. Der Vorteil dieser Streckenführung war, dass die Parade selbst auf der 6-spurigen Straße des 17. Juni stattfinden konnte, die feiernde Masse aber rings herum im gesamten Tiergarten genügend Auslauffläche hatte. Ein kleiner Nachteil damals war, dass viele in den Tiergarten urinierten und es nicht nur höllisch nach Urin stank. Auch die Pflanzenwelt erfreute sich nicht unbedingt über die unerwartete „Ammoniakdusche“. Doch der Veranstaltungsort war prinzipiell ideal dafür geeignet.

Der Veranstalter der Loveparade, die Loveparade GmbH, ist es gewohnt, mit großen Massen an Menschen zu kalkulieren. Im Jahre 2008 besuchten auf der Loveparade in Dortmund geschätzte 1,6 Millionen Menschen das Spektakel. Rekord. Und auch in Dortmund wird man damals gemerkt haben, wie sich 1,6 Millionen Menschen anfühlen, die von A nach B wollen. In Berlin gab es wegen der Loveparade nur begrenzte Probleme. Es gibt viele Zufahrtsstraßen zum Zentrum, die Polizei ist riesige Menschenansammlungen gewohnt und auch die Berliner Verkehrsbetriebe können die Zahl von Reisenden – gerade noch so – befördern. Wobei ich persönlich sagen muss, dass ich mich innerhalb der 1,5 Millionen Menschen nicht die ganze Zeit wohl gefühlt habe. Doch es blieb immer nur bei leichten Verletzungen auf den zurückliegenden Paraden.

Bei der diesjährigen Loveparade in Duisburg war die Lage jedoch eine andere.

© Grafik: WDR-EinsLive

Die Besucher kamen am Duisburger Hauptbahnhof an und mussten sich für eine der beiden Routen entscheiden; je nachdem ob sie aus der Richtung Düsseldorf oder Essen angereist kamen. Hinzu kommt, dass der Duisburger Hauptbahnhof täglich nur ca. 100.000 Fahrgäste zu bewältigen hat. [Quelle: Wikipedia] Der Veranstalter der Parade rechnete hingegen mit mindestens der 10-fachen Menge an Besucher. Jeder der die normalen Grundrechenarten beherrscht, sieht hier bereits erste Kollisionen. Selbst ein ausgefeiltes Wegeleitsystem und ein Besuchermanagement können dabei Staus und größere Menschenansammlungen nicht verhindern.

Sicherlich sind es äußerst unglückliche Umstände, welche zu der Massenpanik geführt haben, in Folge dieser bisher 17 Menschen den Tod fanden. Der Tunnel in der Karl-Lehr-Straße wurde für viele zur tödlichen Falle. Nachdem am rechten Ausgang des Tunnels mehrere Menschen von einer Absperrung stürzten und sich dabei (tödlich) verletzten, drängten sich viele in den Tunnel woraus die Massenpanik entstand.
Man kann wohl spekulieren, dass der Veranstalter sich bei der Planung etwas überhoben hat und die Menge an Menschen unterschätzt hat. Zudem war der Veranstaltungsort äußerst unglücklich gewählt. Man kann nicht eine Million Menschen auf ein Gelände leiten, von welchem es nur ein paar begrenzte Eingangs- uns Ausgangspunkte gibt. Wie auf der Karte zu erkennen, war die links eingezeichnete A59 zwar als Fluchtweg gedacht, doch der Massenpanik im Tunnel konnte dieser Fluchtweg auch nicht helfen.

Der Veranstalter der Loveparade, die Loveparade GmbH muss sich in den nächsten Tagen noch mit massiver Kritik beschäftigen. Im Vordergrund stehen wird dabei der Geschäftsführer Rainer Schaller (seit Anfang 2006). Auch der Hauptsponsor, die McFit Fitness GmbH steht dabei im Rampenlicht, von welcher Rainer Schaller ebenfalls der Geschäftsführer ist.
Der Veranstalter bewies auch nach der Massenpanik kein glückliches Händchen. Aus Angst vor einer weiteren Massenpanik hatte man sich dazu entschlossen, die Loveparade vorerst weiter laufen zu lassen. Dies zeigt eindeutig, dass man mit der enormen Masse an Personen nicht umzugehen wusste. Es hätte auch ein plötzlicher Regenschauer einsetzen können, welcher die Masse zum panikartigen Verlassen des Geländes veranlasst hätte.
Man hat lieber „Party as usual“ durchgezogen. Der Hauptbahnhof hätte die zurück laufende Menge eh nicht auffangen können. Die Organisation war nicht die beste; so viel steht fest. In Bericht der ARD erwähnte ein Teilnehmer treffend: Man kann nicht über eine Million Gäste erwarten, aber dann nur ein Gelände für ca. 300.000 Personen bereit stellen.

In Berliner Tiergarten war genügend Platz für die feiernde Masse vorhanden. Auch verfügt die Großstadt über ausreichend große Reserven im öffentlichen Personennahverkehr. Selbst in Dortmund (2008) gab es keine große Gefahr einer Massenpanik. Der dafür gesperrte Teil des 6-spurigen Rheinlanddamms bot genügend freie Flächen für die 1,6 Millionen Menschen. In Duisburg hingegen sollte alles anders sein. Ein alter Güterbahnhof für bis zu 400.000 Menschen ist kein Ort für eine Veranstaltung für ca. eine Million Menschen. Zudem wenn es nur wenige Zugangswege gibt.

War dies der Todesstoß für die Loveparade in dieser Form? Ich denke ja. Der Veranstalter, in erster Linie der Geschäftsführer Rainer Schaller, wird sich kein weiteres Wagnis leisten wollen. Der Imageschaden für seinen Hauptsponsor McFit ist groß genug. Die möglichen Schadenersatzklagen werden für die Loveparade GmbH vielleicht das wirtschaftliche Ende bedeuten. Und in Deutschland gibt es einfach nicht genügend Städte und Flächen, wo man solch große Veranstaltungen abhalten kann. Ein ausgefeiltes Management ist das eine – der passende Austragungsort das andere. Dieses Mal ist es gründlich schief gegangen.

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2 Kommentare

  1. 99 in Berlin war der ÖPNV aber auch überfordert. Wir haben damals 2-3h vor dem vollkommen überlaufenen Bahnhof Zoo gewartet bis wir auf die überfüllten Bahnsteige gelassen wurden.

    Aber der Überforderungsgrad damals war immer noch etwas anderes als das jetzige hoffnungslos überfordert – und das auch noch absehbar.

  2. Lebenslänglich Zuchthaus und Zwangsarbeit für die Verantwortlichen dieser Tragödie.Ab sofort Verbot jeglicher Veranstaltungen dieser Art, die nur Leid und Unglück über die Menschen bringen und zum Nutzen Einzelner immer wieder genehmigt wurden…

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