Es ist nicht alles Ei was glänzt

In Baden-Württemberg hat sich eine verschworene Gemeinschaft zusammen gefunden: die 08-er Gruppe. Es handelt sich dabei weder um eine Geheimdienstabteilung noch um einen coolen Jugendverein. Mit „08“ ist der Regionalcode Null-Acht für Eier gemeint, welche aus Schwaben und Baden stammen. Die Zweckgemeinschaft hat zudem das Motto „Drauf 08ten“ entwickelt. Man möchte den Kunden sensibilisieren und zum Kauf für regionale Erzeugnisse verleiten.

Ich hatte bereits vor Wochen an diesem Beitrag gearbeitet, doch durch einen neuen Dioxin-Skandal in einem Bio-Betrieb in Nordrhein-Westfalen, gewinnt er zusätzliche Brisanz. Dort wurden Eier mit einem sechsfach höheren Dioxinwert festgestellt. Zuerst wurde nur eine Warnung ausgegeben, mittlerweile werden alle betroffenen Eierpackungen zurück gerufen. Dioxin ist stark toxisch und zeichnet sich für die vermehrte Entstehung von Leukämie, Tumoren sowie des Weichteilsarkoms verantwortlich.

Zum Glück handelt es sich um einen bedauerlichen Einzelfall. Der Großteil der Bio-Branche arbeitet nach sauberen Methoden. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in Bio-Betrieben belastetes Tierfutter verwendet wird. Davon sind übrigens konventionelle Betriebe ebenso betroffen wie Bio-Höfe. Doch gerade bei Bio-Erzeugnissen denkt der Verbraucher, dass die Kontrollen weitaus genauer und das Futtermittel ganz besonderen Anforderungen genügen muss.

Zurück zur 08er-Truppe. Bei der „Werbegemeinschaft 08-Eier aus Baden-Württemberg“ handelt es sich um 20 Landwirte, die ihre Höfe in Baden-Württemberg stehen haben und auf den Einsatz von Gentechnik verzichten. Die Gemeinschaft möchte damit regionale Lebensmittel verstärkt in den Vordergrund rücken. Dies ist löblich und sollte vom Verbraucher ebenso stark honoriert werden. Doch was machen die regionalen Eier so besonders wertvoll bzw. besser als Hühnerprodukte aus anderen Ländern/Regionen?

Alleine in Baden-Württemberg werden pro Jahr 2,3 Milliarden Eier konsumiert. Dabei werden alle Verwendungsarten gezählt – privat wie industriell. Die Zahl errechnet sich aus dem Durchschnittsverbrauch von 214 Eier pro Person/Jahr und 10,8 Millionen Einwohnern. Wenn nun alle Baden-Württemberger-Eier aus regionaler Produktion stammen sollten, müssten in diesen 20 Betrieben pro Tag ca. 330.000 Eier gelegt werden. Man würde also pro Hühnerstall über 330.000 Legehennen benötigen.

Dies ist unter keinen Umständen denkbar. Denn dann wäre kein Unterschied mehr zu einem polnischen Legebatterienbetrieb vorhanden. Was wären die Alternativen? Es müsste für Baden-Württemberg ca. 10 Mal so viele Höfe geben, um ein tiergerechtes Umfeld aufrecht zu erhalten. Es bräuchte ca. 200 Legebetriebe, um den Bedarf an regional erzeugten Eiern decken zu können. Theoretisch ist dies denkbar. Logistisch dürfte diese Menge kleinere oder größere Probleme hervor rufen. Alleine das Einsammeln von täglich über 300.000 Eiern von 200 Betrieben und dem nachfolgenden Verteilen in die Supermärkte bedarf einem eigenen großen Logistiknetz.

Die viel spannendere Frage ist jedoch: wäre jeder Baden-Württemberger bereit und gewillt, pro Hühnerei den doppelten Preis zu zahlen? Auch alle Lebensmittel welche mit Eizusätzen erstellt werden, wären davon betroffen: Nudeln, Kekse und auch Kuchen. Dies führt zur Grundsatzdiskussion, ob der Großteil der Lebensmittel generell zu günstig verkauft wird. Welchen Stellenwert haben Lebensmittel heute für uns und was sind sie uns wert?

Die 08-Initiative gilt es zu unterstützen. Doch man muss auch sehen, dass nicht jeder Baden-Württemberger in den Genuss regionaler Eier kommen kann und kommen möchte. Regional erzeugte Lebensmittel bleiben ein Nischenprodukt für eine Käuferschicht, welche problemlos ein paar Euro mehr für ihren Einkauf ausgeben kann.

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