Wenn ein Mick Jagger (63) in einem Interview sich wie jugendliche 50 fühlt, ist dies etwas völlig anderes, als wenn eine 15-jährige Christina (LaFee) sich wie erfahrene 40 gibt.
Der Jugendwahn(sinn) in der Musikbranche ist ungebrochen. Der jüngste Neuzugang ist gerade 13 Jahre alt. Somit spielen die Protagonisten in der selben Altersklasse wie ihre Zuhörer und Käufer.
Sind diese Teenies schon reif für diesen harten Markt? Werden sie von einer profitsüchtigen Industrie einfach überfahren?
Es ist davon auszugehen, dass die Musikbranche nicht sonderlich Rücksicht nimmt auf ihre jungen Sprösslinge. Hätte man starkes Interesse, die „aufgezüchtete Brut“ auch noch Jahre später erfolgreich vermarkten zu können, würde man die Neuzugänge nicht wie einen Brennbeschleuniger ins Feuer werfen. Gestern noch hinter der Schulbank, heute mit einem Chartsong auf der Showbühne und morgen schon wieder frustriert zurück in der alten Realität. Mir fällt spontan kein Jungstar ein, der auch nach 5 Jahren noch auf der Chartliste zu finden ist.
Popstars, Deutschlands Superstars und diverse ‚Academys‘ sorgen für den nötigen Dauerhype. Dank Klingeltonvermarktung trifft man das junge Zielpublikum direkt und mit sofortiger Wirkung. Das Handy als multimediale Verbreitungsmaschine. Da wird Neues herunter geladen und Bekanntes unter Freunden getauscht. Ein neuer „Jungstar“ wird über diesen Verbreitungsweg innerhalb kürzester Zeit unter sehr vielen Jugendlichen bekannt wie ein bunter Hund; neben dem passenden Wallpaper gibts den dazu gehörigen Videoklingelton. Abgerechnet wird schmerzfrei und ohne große Kontrolle über das Handyguthaben. Dass dabei vieles mit digitalem Rechtemanagement versehen ist, stört die Jugend nicht. Man ist es ja anders nicht gewohnt, weil man es ohne gar nicht (mehr) kennt.
Ein Weg mit Sackgasse.
Die Industrie denkt in erster Linie an ihren Profit. Erst dann kommen ihre „Schützlinge“ und zu guter letzt der Kunde. Der größte Umsatz wird mittlerweile mit teenagerfreundlichem Durchschnittskommerz gemacht. Klingeltöne und MP3-Downloads lösen immer mehr die liebgewonnene Musik-CD ab. Daran sind aber nicht nur die Jugendlichen mit ihrem Hang zum Handy schuld. Die Musikindustrie selbst vergrault ihre eigenen Stammkunden. Hier ein Root-Kit auf einer Video-CD, da ein komischer Kopierschutz auf einer normalen Audio-CD, woanders wacht ein DRM über den MP3-Song. Man fühlt sich einer bewaffneten Großmacht gegenübergestellt: „Arme hoch sonst wird geschossen.“ „Aber ich wollte doch nur zur Kasse, um zu zahlen. Ehrlich!“
Die Jugend nimmt dies wohl mit Kampfgeist. Was heute bei der Hälfte der Clique auf dem Handy trällert, ist morgen eh schon voll uncool und damit out. Keiner denkt an die Konservierung. Keinen interessiert der Song von vorgestern.
Doch so denken nicht alle, liebe Musikindustrie. Es soll noch Kunden geben, die gewisse Ansprüche an die Musik legen: durchdachte Texte, griffige Melodien, überall abspielbar und auch noch nach einem Jahr hörenswert.
Soweit denkt die Musikindustrie momentan allerdings nicht. Der aktuelle Profit entscheidet. Doch kehrt eine Kundschaft schnell wieder zu ihrem Verteiler zurück, wenn sie erst einmal gründlich vergrault wurde? Fraglich! Die junge Käuferschicht (zwischen 10 und 20 Jahren) läuft dabei am wenigsten weg, denn diese ist durch ihren eigenen „must-have“ gefangen. Bei wem das Handy beim SMS-Empfang nicht mit dem neusten Tokio-Hotel-Gefiepse auf sich aufmerksam macht, kann sich eigentlich den Weg in die Schule sparen.
Musik ist immer ein Geschäft mit Emotionen. Dass die Teenies dabei etwas oberflächlich agieren, ist ihnen nicht zu verübeln. Gestern der Bravo-Starschnitt, heute der Jamba-Klingelton. Wo ist der Unterschied? Es gibt keinen. Nur die Industrie ist heute eine andere.
Aber machen wir uns nichts vor. Auch ein Heintje war blutjunge 12 Jahre alt, als er nach seinem „Mama“ durch endlos viele Filme gejagt wurde.