Es gibt eine Industrie, welche bereits seit Jahrzehnten einen Kampf gegen sich selbst führt: die Hersteller von Nassrasierer.
Ganz zu Beginn, als der Rasierer erfunden wurde, hat man eine einzige Klinge verwendet. Viel später bekam der Nassrasierer seine erste Revolution verpasst: zwei Klingen für ein besseres Ergebnis und weniger „blutige Ecken“. Wieder einige Zeit später wurde nochmals eine weitere Klinge hinzu gebaut, um weniger Hautirritationen zu verursachen. Schon an diesem Punkt muss sich mancher gefragt haben, wieso bei drei Klingen die Haut weniger angegriffen werden soll.
Dann ging es mehr oder weniger Schlag auf Schlag. Vielleicht nur nicht deshalb, weil Procter & Gamble sich Gillette in sein Produktportfolio einverleibte. Damit wurde der einstige Rivale und Konkurrent Wilkinson Sword geschwächt. Doch der Ideenreichtum wurde damit nur noch mehr angefeuert. Wilkinson „erfand“ den Nassrasierer mit vier Klingen. Sehr zum Ärger von Gillette, denn diese sahen darin eine Verletzung von Patenten zu ihrem 3-Klingen-Rasierer.
Irgendwann waren die Rasierer mit vier Klingen etwas ganz normales. Nur, wo bleibt der Mehrwert? Welchen Nutzen habe ich von vier Klingen? Bevor man ins Grübeln geraten kann, sind schon die Nassrasierer mit Batteriefunktion auf dem Markt. Natürlich nur für einen Zweck: der Strom soll das Rasieren einfacher machen, da die Haarstoppel sich aufrichten. Viele unabhängige Testlabore konnten übrigens bis heute keinen entscheidenden Einfluss der 1,5 Gleichstrombehandlung feststellen.
Doch dem Erfindungsreichtum nicht genug. Mittlerweile sind wir bei fünf Edelstahlmessern angelangt. Daneben gibt es noch die optimierten Bartstoppelentferner mit Titanium-Klingen oder „einfach“ nur in neuem Design mit verbesserter Ergonomie.
Wo soll das noch hinführen?
Kommt bald der ultimative Nassrasierer mit 10 Klingen für die Rundumhaarentfernung ganz ohne blutige Schnitzer? Oder gar der 3D-Rasierer mit unglaublichen 20 Messern? Und was war mit diesem batteriebetriebenen Teil? Vielleicht ist die Spannung nur zu niedrig gewählt. Wie wäre es mit einem 230 Volt-Anschluss? Ungepuffert! Die volle Ladung 15 Ampere auf die Bartstoppel. Da fallen dann nicht nur mit einem Schlag die Barthaare ab sondern auch der Schlaf aus den Augen; oder eher umgekehrt?
Der Kunde kaufts doch.
Ich frage mich ständig, wer derart beschränkt ist und für 15 Euro sich vier(!) Klingen kauft [Anm.: 4er-Pack Gillette Fusion]. Offensichtlich gibt es aber genügend Kunden, welche der Marketingmasche verfallen und sich von zweideutigen Werbeaussagen blenden lassen.
Den Herstellern sind hier eigentlich keine Vorwürfe zu machen; außer dass die Neuerungen immer fadenscheiniger ausfallen. Der Kunde ist der Trottel. Den Beutel mit 10 Ersatzklingen (die guten Doppelklingen) gibt es weiterhin für ca. drei Euro. Und selbst die „Auslaufmodelle“ der großen Marktführer gibt es für relativ günstiges Geld. Nur dem Kunden wird im Jahresrhythmus aufgetischt, dass der beste Rasierer aller Zeiten das neuste und damit auch teuerste Model sein soll: 5 „billige“ Metallmesser mit ein wenig buntem Plastik drum herum für stolze 4 Euro. Respekt!