„Rufen Sie jetzt an. Wer jetzt zum Telefonhörer greift und zu mir durch kommt, kann 100.000 Euro gewinnen. Sie müssen mir dazu nur ein Wort nennen, welches mit E beginnt und auf E endet. Kommen Sie, rufen Sie jetzt an.“ *ringring* „Hallo, Ihre Lösung bitte?“ Anrufer: „Die Lösung ist ‚Ende‘.“ Moderator: „Das ist richtig. Wir haben das Ende gesucht. Denn unser Sender ist am Ende.“
Der Fernsehgott hat ein Erbarmen: 9 Live stellt zum 31. Mai seinen Live-Sendebetrieb ein. Ab diesem Datum wird es keine Gewinnshows und keine kostenpflichtigen Anrufe mehr geben. Fast ein ganzes Jahrzehnt musste Deutschland den abendländischen Untergang der fernsehkonsumierenden Unterschicht beobachten, wie Wörter mit vier Buchstaben oder versteckte Gesichter in Bildern gesucht wurden. Der Mutterkonzern, die ProSiebenSat1-Medien-AG, sah in dem Sendekonzept keine Zukunft mehr, da keine Wachstumschancen mehr zu erkennen waren. So eine der offiziellen Begründungen.
Anfangs war es noch lustig mit an zu sehen, wie neue Spielideen entstanden und wie kreativ die Macher der Call-In-Sendungen sich gaben. Doch dies wandelte sich bald. Es mehrten sich die Stimmen welche behaupteten, der Sender würde schummeln und unlautere Methoden anwenden. Die Liste der Anschuldigen ist lang: gefakte Anrufe, ausgetauschte Umschläge mit den Lösungen, mehrere Lösungen für ein Spiel, Täuschung durch die Moderatoren und auch der Aufbau von Druck beim Zuschauer wurde bemängelt.
Marc Doehler und sein Portal „Call-in-TV.net“ war über Jahre der größte Gegner des Senders und stellenweise verbissener Kämpfer für die Gerechtigkeit. Die Auseinandersetzung gipfelte in einem monatelangen Rechtsstreit, in dessen Ergebnis Herr Doehler seine Domains verlor. Die Call-in-Branche ist nicht nur skrupellos sondern auch erbarmungslos.
Doch nicht alle Sender hatten einen solch langen Atem. Vor fast einem Jahr (April 2010) sendete der größte Konkurrent, das Master Quiz, zum letzten Mal auf Super-RTL. Damals gab man als Grund die fehlende Unwirtschaftlichkeit an. Denn Anfang 2009 änderten die Landesmedienanstalten die Gewinnspielsatzung für Call-In-Sendungen (PDF). Darin enthalten sind so entscheidende Punkte wie Jugendschutz, Transparenz, Irreführungsverbot und Informationspflichten. Die Call-in-Sender waren von den Regelungen wenig begeistert, waren es doch gerade jene Punkte, welche ihnen die guten Einnahmen (aus den Anrufen) ermöglichten.
Nun ist es vorbei mit 9-Live. Irgendwie werde ich den gesendeten Bullshit vermissen. Und ich frage mich, womit die vielen Stammzuschauer sich nun allabendlich beschäftigen werden. Prinzipiell bräuchte es eine psychiatrische wie bei Paraplüsch (Psychiatrie für misshandelte Kuscheltiere). Und auch die Telefonrechnung dürfte bei so manchen Dauernutzer spürbar kleiner ausfallen.