Die Branche feiert sich mal wieder selbst. Es gibt ein neues Produktsiegel, das Produkt des Jahres. Vergeben wird des Preis von der Produkt des Jahres GmbH (in Köln). Im Handelsregister hat die Gesellschaft als Gegenstand ihrer Dienstleistung angegeben: Beratungs- und Serviceleistungen in den Bereichen Marketing, Events, Kommunikation, Werbung, Marktstudien und Umfragen bei den Verbrauchern sowie die Vermarktung und der Vertrieb jeglicher hiermit zusammenhängender Produkte, insbesondere die Durchführung der Verbraucherbefragung „Produkt des Jahres“.
Bei diesem Branchenpreis kann jedes Unternehmen mitmachen. Man muss sich nur mit seinem Produkt rechtzeitig anmelden. Eine Jury(!?) – angeblich ein Ethik- und Patenschaftausschuss – bestimmt dann eine Vorauswahl, welche die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) bei 10.000 Konsumenten abfragt. Daraus ermittelt sich dann der jeweilige Sieger. Der Preis hinterlässt einen mehr als fahlen Beigeschmack, da im Prinzip nicht nach verfolgt werden kann, wie es zu der Nominierung gekommen ist. Die Verbraucher werden bei der Befragung nach den folgenden drei Kriterien des Produktes abgefragt:
- Innovation (33%)
- Attraktivität (33%)
- Zufriedenheit (33%)
Zu den Gewinnern des diesjährigen Preises „Produkt des Jahres 2008“ wurden unter anderem gewählt die Wagner Steinofen-Pizza Schinken. Was an einer Pizza innovativ sein soll, ist mir bis dato nicht klar. Auch attraktiv ist dieses Produkt in meinen Augen keineswegs. Und dass die Konsumenten mit dieser Pizza am meisten zufrieden sein sollen, kann man sich wohl nur dadurch erklären, dass keine andere Markenpizza bei der Umfrage mit dabei war.
Die Gewinner des Branchenpreises können für ein ganzes Jahr mit der Auszeichnung auf dem entsprechenden Produkt werben und können das Siegel in der Werbung verwenden. Die Industrie hat somit ein berechtiges Interesse, bei den Gewinnern zu sein. Anders als z.B. bei der Stiftung Warentest ist die Auswahl der Produkte und der Prozess zur schlussendlichen Auszeichnung mehr als schwammig. Wieso gerade jenes und nicht das andere Produkt mit dem Preis ausgelobt wird, bleibt im Unklaren. Aber dem Verbraucher dürfte es ziemlich egal sein. Er greift eh relativ blind nach dem Produkt, welches in der Auslage ihn am meisten „anlacht“. Da ist ein solcher Preis für das Unternehmen natürlich mehr als förderlich.
Neben diesem Branchenpreis gibt es noch unzählig viele andere Auszeichnungen zum „Produkt des Jahres“. An dieser Stelle erwähne ich daher ein weiteres Schwergewicht: die Zeitschrift Lebensmittel Praxis. Von ihr wurden so innovative wie Colgate Max Fresh, Colgate Smiles, Florena Tagescreme mit Olivenöl, Bonduelle Florida Mix, Hansaplast Extreme oder Warsteiner Premium Alkoholfrei ausgezeichnet. All dieses Produkte sind wohl kein Stück besser oder schlechter als vergleichbare Angebote. Doch den Unternehmen nutzt der Preis insoweit, als dass sie dem Verbraucher damit suggerieren können: schaut her, dieses Produkt ist besonders gut – und daher halt eben eventuell auch ein bisschen teurer als die Konkurrenz.
Werbung gibt es eben nicht zum Nulltarif. Doch die Kunden lassen sich nun mal auch gern an der Nase herumführen. Wer diesem Auszeichnungswahn wiederstehen kann, kauft mitunter manchmal unbewusst das bessere Produkt. Und sei es nur deshalb die bessere Alternative, weil es günstiger zu haben ist.