Das Privatfernsehen kümmert sich mit Vorliebe um das Proletariat. Um dem Coach-Potato das Gefühl von Bildung zu vermitteln, haben die Privaten das Edutainment entwickelt. Die softe Form der Wissensvermittlung. Pseudo-intellektuell mit viel Unterhaltungsfaktor. Zu dieser Gattung gehört die Sendung Galileo auf Pro-Sieben. Der Zuschauer erfährt viel Unnützes und Absurdes, stets verpackt in bunten Storys.
Ob man solche Fernsehformate interessant findet, ist eine reine Definitionsfrage von Sender und Empfänger. Der Sender Pro-Sieben möchte leichte Unterhaltung verkaufen und der potentielle Empfänger sollte mit dem Wissen nicht überfordert werden. Daher legen die verantwortlichen Redakteure oder Skriptschreiber ihr Hauptaugenmerk auf eine bildhafte Informationsübermittlung. Schließlich wird für das Fernsehen produziert, bei dem das Bild neben dem Ton die elementaren Medienträger bilden. Gegen eine bildhafte Wissensvermittlung ist nichts einzuwenden. Doch Bilder können extrem gut lügen, wenn man die falschen Fakten nutzt.
So hatte Galileo unlängst einen Bericht zum Vergleich von PS und Pferdestärken gesendet. Die Sendung wollte mit dem Missverständnis aufräumen, dass ein PS eines Pferdes nicht dem PS eines Autos entspricht. Ein (einziges) Pferd ist eben nun mal nicht so stark bzw. schwach wie ein PS eines Motors. Den Beitrag kann man in der Online-Video von Pro-Sieben sich anschauen. Die Experimente zum Beweistest sind nicht nur grundsätzlich falsch sondern auch noch dümmlich gemacht. Doch dazu im Detail.
Test 1 – Wer hat mehr Kraft: Mofa oder Pferd?
Das Mofa wiegt 60 Kilo und hat vier PS. Plus dem Gewicht des Fahrers ergibt sich ein Gesamtgewicht von ca. 120 Kilo. Der Kaltblüter wiegt 800 Kilo und hat -angeblich- ein PS. Das Experiment findet auf einer Wiese statt, wohl dem Pferd zuliebe. Beide werden über eine Deichsel aneinander gehängt und jeder zieht in die entgegengesetzte Richtung des anderen. Wer gewinnt? Auch wenn es selbst die Galileo-Reporterin verblüffen mag: das Pferd.
Die Gründe für den einfachen Sieg des Pferdes werden nicht genannt. Wahrscheinlich wäre der Zuschauer mit Begriffen wie Reibung, Haftung, und Trägheit der Masse völlig überfordert. Gummireifen haben auf Rasen eine schlechte Haftung; hinzu kommt das Schmalhans-Gewicht des Mofas. Da hat der 800-Kilo-Kollege ein leichtes Spiel, das Mofa über die Wiese zu ziehen.
Test 2 – Wer ist schneller: Auto oder Pferd?
Zum Experiment treten an ein Golf (Modellvariante 6) mit 160 PS und einem verschwiegenen Gewicht von ca. 1500 Kilo (samt Fahrer). Dagegen läuft ein Galopprennpferd mit einem ebenfalls verschwiegenen Lebendgewicht von ca. 500 Kilo (samt Reiter). Die Strecke geht über 200 Meter auf einer Galopprennbahn – also auf einem weichen Rasen. Der Sprecher betont die Höchstgeschwindigkeit des Pferdes von 55 km/h und ebenso, dass das Pferd auf der kurzen Strecke besser beschleunigen kann. Klarer Sieger nach Zeit: das Rennpferd mit 13,29 Sekunden, der Golf abgeschlagen mit 16,49 Sekunden dahinter. Die Galileo-Reporterin ist abermals überrascht.
Ganz so überraschend ist der Ausgang des Experiments jedoch nicht. Schließlich sind auch in diesem Fall die physikalischen Eigenheiten wie Haftung und Trägheit der Masse wesentlich für den Ergebnis. Ein Auto beschleunigt auf einem Rasen wesentlich schlechter als auf einer Asphaltstrecke. Für das Pferd dürfte es sich gerade anders herum verhalten. Geringe Haftung und hohes Gewicht sind eine denkbar ungünstige Kombination für eine gute Beschleunigung.
Alternativ lässt sich für den 160PS-Golf folgende Rechnung erstellen (Quelle):
Beschleunigung von 0 km/h auf 100 km/h in 10 Sekunden
Beschleunigung a = 27,8m/s² / 10s
a = 2,8 m/s
Zeit t = Wurzel ( 2 x 200m / 2,8m/s)
t = 11,95 s
Das Auto hätte das Pferd auf den 200 Metern also locker schlagen können. Schließlich wären auf einer Asphaltstraße auch mehr als 100 km/h möglich gewesen.
Das Ergebnis zählt
So muss wohl das Verblödungsfernsehen aussehen, über welches immer wieder diskutiert wird. Doch Galileo ging es bei dem Experiment nicht um eine wissenschaftlich korrekte Abhandlung, sondern wie man möglichst effektvoll für 13 Minuten den Zuschauer an der Sendung halten kann. In der knappen Viertelstunde hat der TV-Konsument nicht sonderlich viel (Neues) gelernt. Außer dass ein Pferde-PS nicht einem Motor-PS entspricht, blieb nicht viel Substanzielles übrig. Das Ziel von „gut“ gemachtem Edutainment wurde damit voll erfüllt.
das klingt doch lustig! 😀
Nein, mal im Ernst: Wer erwartet, dass er von Pro7 oder gar Galileo gebildet wird, der geht mit ganz falschen Vorstellungen an die Sache. Man kann schon froh sein, wenn sie keine falschen Tatsachen als Fakt verkaufen. Wenn man sich auf wirklich leichte unterhaltung ohne hintergrund einlässt, dann ist Galileo wirklich unterhaltsam. Ansonsten kann man es vergessen…
Gut beobachtet und leider wahr.
Interessant wäre es doch gewesen zu erfahren, dass ein Pferd kurzzeitig auch mal 10 PS leisten kann, aber 1 PS damals als die Leistung definiert wurde, die ein Pferd über einen längeren Zeitraum (z.B. ein Arbeitstag) dauerhaft leisten kann. Also einen Heuwagen oder einen Pflug einen Tag lang zu ziehen erfordert 1 PS. Wenn ein Pferd aber einen Baumstamm aus dem Wald ziehen muss, kann es auch mal 10 PS leisten. Aber eben, das interessiert ja niemanden.