Psychologie im Discounter: immer rechts rum

Als Verbraucher wird man von der Lebensmittelindustrie gern getäuscht. Vor zwei Wochen war dazu in der ARD eine große Themenwoche angesetzt, bei der es rings ums Essen ging. Der allseits bekannte Analogkäse ist ebenso nichts Neues wie manche (optische) Täuschung der Verpackungen. Manchmal sieht man den wahren Inhalt eben erst beim Öffnen. Das Thema Psychologie ist in der Lebensmittelindustrie ein nicht zu unterschätzender Faktor. Da gibt es beispielsweise die sogenannte Bückware, die weiter unten im Regal liegt, aber dafür günstiger ist als jene in bequemer Griffweite. Auch mit Lichtinstallationen, Düften und Verkaufsaufstellern soll unser Einkauf beeinflusst werden. Doch manchmal ist die Beeinflussung viel perfider, als uns bewusst sein mag.

In Deutschland und in vielen anderen Ländern haben sich zwei Arten von Lebensmittelgeschäften etabliert: der gewöhnliche Supermarkt und der Discounter. Der Supermarkt verfügt meisten über eine Frischetheke (Bedienung für Fleisch, Wurst, Käse und Fisch). Der Supermarkt hat meist das exklusivere und dafür hochpreisigere Sortiment und wirkt meist aufgeräumter und sauberer. Beim Discounter hingegen stehen die Lebensmittel mit Karton im Regal. Der Discounter verkauft viele günstige und einfache Lebensmittel. Und beim Discounter sieht es meist äußerst spartanisch eingerichtet aus. Diese Unterscheidung hat relativ substantielle Gründe. Ein paar simple Leuchtröhren sind günstiger als eine ausgefeilte Lichtinstallation. Die Lebensmittel im Karton zu belassen, spart Arbeitszeit und somit Geld.
Der Discounter muss billig wirken, sonst wäre es kein Discounter. Denn die Lebensmittel unterscheiden sich manchmal kaum vom Angebot aus dem Supermarkt. Vieles wird nur anders verpackt, stammt aber vom selben Markenhersteller. So gibt es z.B. das Buch „Welche Marke steckt dahinter?„, in welchem die NoName-Produkte eindeutig namhaften Herstellern zugeordnet werden. Es ist die Einrichtung und das Produktdesign der Verpackungen, welche Discounter-Artikel so billig aussehen lassen. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Wir lassen uns tiefenpsychologisch noch ganz anders beeinflussen – durch die Laufrichtung.

Gehen Sie einmal kurz in sich und „besuchen“ Sie alle ihnen bekannten Supermärkte und Discounter. Es genügt, wenn Sie sich vorstellen, wo es zur Tür rein geht und wo die Kassen stehen. Dadurch ergibt sich ein Laufrichtung: entweder geht es im oder gegen den Uhrzeigersinn durch das Geschäft. Man spricht auch von rechtsdrehend (im Uhrzeigersinn) und vom linksdrehend (gegen den Uhrzeigersinn). Nun überlegen Sie für jeden Supermarkt und jeden Discounter, wie sie im jeweiligen Laden durchlaufen müssen, um zu den Kassen zu gelangen. Fällt Ihnen etwas auf?

Beim Discounter geht es meistens – auch bei Neubauten – im Uhrzeigersinn durch den Laden. In normalen Supermärkten läuft man hingegen meist gegen den Uhrzeigersinn durchs Geschäft.

Es mag Ausnahmen von dieser Regel geben, aber diese sind verschwindend gering. Nun kann man sich fragen, wieso ist dies so? Es sprechen auf alle Fälle keine baulichen Gründe für dieses System. Denn jeder neue Discounter – ob ALDI, LIDL, Norma, Penny, usw. – wird bereits mit dem Rechtslaufsystem geplant. Bei allen Discountern befindet sich auf der linken Seite der Eingang. Man läuft im Uhrzeigersinn durch den Laden und kommt auf der rechten Seite wieder raus. In den normalen Supermärkten (Real, Kaisers, Edeka, usw.) läuft man exakt anders herum durch den Laden.

Ist doch eigentlich egal, wie man durch das Geschäft läuft!? Nein, ist es eben nicht. Und genau darin liegt die psychologische Wirkung. Gegen den Uhrzeigersinn zu laufen, löst ein angenehmes, behagliches Gefühl aus. Dies führt zu einer höheren Verweildauer im Geschäft und damit zu einem höheren Umsatz. Der Kunde ist entspannt und greift deshalb zum einen oder anderen Produkt, welches er eventuell gar nicht kaufen wollte. Oder er nimmt wegen der positiven Stimmung das teure Produkt aus dem Regal und lässt das günstige liegen.
Diese psychologische Wirkung hat weder etwas mit Chakra noch mit Hokuspokus zu tun. Sie beruht auf den üblichen psychologischen Grundsätzen. Die Mehrzahl ist Rechtshänder. Daher laufen wir lieber einen Kreis, bei dem diese „starke“ Hand außen ist. Wir greifen mit der rechten Hand nach Dingen (im Regal), was bei einem linksdrehenden System komfortabler ist.

Geht es im Uhrzeigersinn durch ein Geschäft (rechtsdrehend), geht unser Puls in die Höhe, die Körpertemperatur steigt etwas an, wir fühlen uns schlichtweg etwas unwohl. Diese Laufrichtung ist für die meisten Menschen ungewohnt, aus psychologischer Sicht gesehen sogar leicht bedrohlich. Es steckt ein System dahinter, wieso Discounter auf diese negative Beeinflussung setzen. Zusätzlich unterstrichen wird diese Wirkung durch gesprenkelte Fließen und ein unangenehmes Licht. Am liebsten möchte man so schnell wie möglich wieder raus aus solch einem Geschäft. Nur in der Mitte der Discounter findet sich meist eine kleine „Ruheinsel“ mit aktuellen Angeboten der Woche – vom Haarföhn angefangen, über günstige Jogginganzüge bis hin zu Rasendünger. Diese Metallständer sind keiner festen Laufrichtung unterworfen und meist ist dort auch genügend Platz. Diese Angebote gehören nicht zum üblichen Sortiment und dort möchte sich der Kunde auch nicht gehetzt fühlen. An allen anderen Stellen soll man sich möglichst kurzzeitig aufhalten und alles schnell in den Einkaufskorb legen. Der Betreiber eines Discounters hat nichts von Kunden, die drei Minuten vor dem Regal stehen und überlegen, ob sie nun die italienischen Nudeln aus Hartweizengrieß oder die Schweizer-Nudeln mit besonders vielen Eiern nehmen.

Wenn Sie das nächste Mal zum Discounter einkaufen gehen, machen Sie sich einfach den Spaß und laufen sie verkehrt herum durch den Laden. Sie werden überrascht sein, welch anderes Gefühl sich schlagartig einstellt. Sie müssen zwar auf die hetzende Meute aufpassen, welche ihnen ständig entgegen kommt. Aber alleine für die psychologisch positive Wirkung ist der verkehrte Weg durch den Discounter es wert. Das Gefühl des Supermarktes genießen, aber die günstigen Preise des Discounters mitnehmen.

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3 Kommentare

  1. Toll. Darauf habe ich noch nie geachtet. Aber es stimmt- Verkaufen ist heutzutage reine Psychologie, genau wie die Werbung.
    Dieses Konzept der Discounter passt- es geht ihnen nur ums schnell verdiente Geld. Service- gleich Null!
    Daher kaufe ich dort höchst selten ein, bei Lidl generell nicht- das habe ich schon eingestellt als ich dort noch beschäftigt war- aus Protest , wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und Hetze pur- Zeit ist alles- daher wird sie auch überall eingespart- auf Kosten der Angestellten.
    Überhaupt ist auch das Preisempfinden der Kunden meist subjektiv gefärbt und keinesfalls objektiv- sonst hätte ein jeder schon bemerkt, dass jeder großflächige Supermarkt einen Aldi/Lidl-Markt und Konsorten im Sortiment integriert hat, sodass man sich grundsätzlich den Einkaufsstress beim Discounter sparen kann.
    Das Warenangebot beim Discounter liegt zwischen knapp 1000 Artikeln (Aldi), ca. 1800 (Lidl) und ca. 3600 Artikeln(Netto). Ein gut sortierter Verbrauchermarkt umfasst zwischen 30.000 bis ca. 50.000 Artikel in allen Preislagen und Qualitäten. Deckt sämtliche Discounterprodukte im gleichen Preis-Leistungsverhältnis ab. Man muss sie nur finden 
    Und Einkaufen beim Discounter ist Stress pur (für mich ) Am schlimmsten ist es an der Kasse. Man wird wie am Fließband abkassiert. Die winzige Ablagefläche reicht nicht aus. Das Tempo an der Kasse muss man als kundenunfreundlich bezeichnen – fast schon „Seniorenfeindlich“ Ich verzichte gerne darauf…und trotzdem gebe ich nicht mehr Geld aus als zuvor (als ich dort noch eingekauft habe) .
    Zudem ist die Expansion der Discounter der „Tod“ der Vielfalt im Sortiment- kennst du einen –kennst du alle! Außerdem haben die Discounter eine ruinöse Preisschlacht ausgelöst. Die Konsequenzen die daraus entstanden sind spürten als erstes die die eigenen Angestellten – die Spätfolgen gehen zur Lasten der Allgemeinheit. Massentierhaltung, Skandale in der Lebensmittelindustrie, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Hartz IV-Bezuschussungen- wegen der niedrigen Löhne und/oder geringen Stundenverträgen. In vielen Betrieben -die in welcher Weise auch immer – den Discountern (dem Billigwahn) zuarbeiten MÜSSEN! Siehe Günther Wallraff und die Bäckerei mit den Billigbrötchen für Lidl!
    Mit den niedrigen Preisen hielten auch die Niedriglöhne im gesamthandel und Mini-Jobs und der massive Abbau von vollzeitstellen Einzug. Politisch und wirtschaftlich gefördert- zum Wohle weniger elitärere Zeitgenossen und zum Leid vieler Beschäftigten.
    Niemand sollte ein Loblied auf solche Geschäftsmodelle singen-Klagelieder dagegen schon…..
    Dumpinglohnland Deutschland. Ursache – Wirkung!

  2. ganz ehrlich, ich finde es rechtsdrehend einzukaufen angenehmer. Sei es im Lidl oder im Kaufland, zumindest bei uns so.

    Dahingehend ist unser Marktkauf und auch Netto linksdrehend, was ichäußerst unangenehm finde..

    Bin Rechtshänder, aber wahrscheinlich eigentlicher Linkshänder, weil ich das meiste mit links mache und früher wohl doch noch umerzogen wurde, die „gute“ Hand zu nutzen…

    wer weiß, jeder muss einkaufen und lässt sich dort beeinflußen.. 😉

  3. ich find es interessant, auf welche kleinigkeiten man achten muss als supermarkt. es ist einfach faszinierend. ich muss lachen weil es so komisch klingt und auch klingt es überhaupt nicht effiziert aber ich habe selbst das projekt gemacht und bin in die andere richtung gerannt. mir war dabei so komisch… 😀 ich finds toll! applaus an die verkaufspsychologie!!

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