Bei der Jugend haben die 80er angerufen. Weite Jeans, Schlabberpullis mit violetten Farben, blondgetönte Frisuren, im Prinzip alles was man vor 20 Jahren keinesfalls mehr tragen wollte, wird gerade wieder Mode. Auch so mancher Technikproduzent versucht sich in Retro, wenn auch aus anderen Beweggründen.
Motorola hatte im Jahr 2004 eine bahnbrechende Idee: der Hersteller spendierte einem Mobiltelefon ein Klappscharnier und trennte somit die physische Eingabe von der grafischen Oberfläche. Oben Bildschirm, unten Tasten. Das Motorola V3 war geboren und technisch betrachtet war das sehr innovativ. Die Tastatur blieb vor versehentlichen Eingaben und das innenliegende Display vor Kratzern geschützt. Zusätzliches Novum durch die neue Bauform war eine extrem schlanke Bauhöhe. In der täglichen Handhabung zeigte sich die wahre Stärke. Anrufe konnten automatisch angenommen werden, in dem man den Displaydeckel aufklappte. Auf die umgekehrte Weise wurden Gespräche beendet.
Die Oberflächen der Mobiltelefone wurden robuster. Und 2008 war zudem das vermeintliche Geburtsjahr des ersten Smartphones: das Apple iPhone. Ebenfalls eine technische Revolution, denn es hatte prinzipiell keine physischen Tasten mehr. Die Eingabe erfolgt komplett über den Touchscreen. Auch dies war damals innovativ. Denn gleichwohl ob Gespräche beginnen oder enden zu lassen oder die Musikwiedergabe zu steuern, es ist immer der simple Click mit dem Finger.
Moderne Displays sind mittlerweile kratzresistenter als übliches Glas und Sensoren sorgen dafür, dass ein Smartphone in der Hosentasche nicht eigenständig Anrufe tätigt. Die Welt der Smartphones war jahrelang perfekt mit der Barren-Form. Hier und da gab es mal abweichende Modelle mit anderen Bauformen – zum Beispiel den Nokia Communicator, aber weltweite Begeisterung konnte keines dieser Sonderformen auslösen.
Samsung musste sich gegen 2015 jedoch gefragt haben, ob man da nicht was „Frisches“ auf den Markt bringen kann. Schließlich verlaufen die Verkaufszahlen seit Jahren auf einem gedämpften Niveau. Die Innovationen sind mittlerweile auch sehr überschaubar; jedes Jahr wird die Kameraqualität noch ein bisschen besser und das Display brillanter.
Die technische Entwicklung macht es mittlerweile möglich, dass sich ein LE-Display biegen lässt. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten ist es Samsung gelungen, ein Scharnier zu entwickeln welches leichtgängig und kompakt daher kommt.
Aber wofür braucht man ein Klapp-Smartphone?
Man kann es zugeklappt auf den Tisch legen und auf dem äußeren Zusatzdisplay die nötigsten Infos ablesen. Wenn man per Bluetooth telefoniert oder Musik hört, kann man es einfach so liegen lassen. Das geht aber mit jeglichem Smartphone!
Es passt besser in die Hosentasche. Ja, eine Länge von 8 Zentimeter ist deutlich kürzer als die üblichen 15 Zentimeter. Andererseits ist so ein Klapphandy aufdringlich dick (ca. 17 Millimeter), wenn es zusammengeklappt ist. Man kann sich selber fragen, was sich in der Hosentasche smarter anfühlt. Abseits davon spielt der Formfaktor eine völlig untergeordnete Rolle.
Welche Ideen zeigt Samsung selber? Schaut man sich die Werbung an, setzt ganz schnell Ernüchterung ein. Das ‚Gimmick‘ ist die Klapp-Funktion. Präsentiert von hippen Jugendlichen, welche das Smartphone zusammen geklappt in die Brusttasche der Jacke stecken, beim Filme schauen vor Schreck das Display zusammenfalten oder einfach die Coolness präsentieren, als wäre das Motorola Razr gerade neu erfunden. Ein einleuchtender Use-Case ist nicht zu erkennen und findet sich unter heutigen Voraussetzungen wohl auch keiner.
Auch Motorola versucht sich seit 2019 mit Neuauflagen seiner Klapp-Handys. Samsung setzte am Anfang vollkommen auf den Nerd-Faktor und ignorierte eine realistischen Verkaufspreis. Die Folge waren sehr überschaubare Verkaufszahlen. Aktuell bewirbt Samsung sein neuestes Galaxy Flip 5 sehr aggressiv; als müsste dieses Klapphandy unbedingt ein Erfolg werden. Schwierig bei einem herbeigeredeten Must-Have.