Manche behaupten etwas zynisch: Das Fernsehen existiert nur, damit man leichter Produkte verkaufen kann. Bei den privaten TV-Sendern wird diese Vermutung durch das aktuelle Programm eindrucksvoll unterstützt. Ich sage nur „Scripted Reality“ – die mediale Pest des 21. Jahrhunderts. Denn ob bei Scripted-Reality Dokusoap oder Scripted-Reality Krimiserie rangiert der Anspruchsfaktor im unteren Promillebereich. Man könnte auch ein bewegtes Testbild senden. Zum unterbelichteten Sendeprogramm gesellt sich eine absolut geschmacklose Werbelandschaft. Zusammen ergibt dies ein Einheitsbrei aus Belanglosigkeit und Langeweile. Die fehlende Abgrenzung ist gewollt.
Das Programm existiert zum Großteil nur noch aus vorgeschriebenen Geschichten, die von völlig unbekannten Alltagsgesichtern gespielt werden. Bei den Produktionsfirmen nennt man so etwas „Scripted Reality mit Laiendarstellern„. Im Fernsehprogramm findet sich diese Gerne unter anderem in: Mitten im Leben (RTL), Pures Leben – Mitten in Deutschland (Sat.1), Kallwass greift ein (Sat.1), Richterin Salesch (Sat.1), Richter Hold (Sat.1), Köln 50667 (RTL2), Berlin – Tag und Nacht (RTL2), Shopping Queen (VOX), mieten-kaufen-wohnen (VOX), Verdachtsfälle (RTL), Familienfälle (Sat.1), Familien im Brennpunkt (RTL), Betrugsfälle (RTL), Schicksale – und plötzlich ist alles anders (Sat.1), Privatdetektive im Einsatz (RTL2), K1 – Kommissare im Einsatz (Sat.1), Achtung Kontrolle – Die Topstories der Ordnungshüter (kabel eins) … und noch viele mehr.
Diese (und andere) Sendungen werden öfters unterbrochen von Werbung. Denn das sündhaft teuer produzierte Programm muss schließlich irgendwie finanziert sein. Dies geht bei den privatwirtschaftlichen Sendern fast nur über Werbung. Was sieht man in den Werbespots? Alltagsgesichter die uns mit kumpelhaften Aussagen irgendwelche Alltagsprodukte andrehen möchten. „Ich spüle auch!“ oder „Diese Flecken gehen nie mehr raus!“ oder mein Lieblingssatz „9 von 10 Frauen und Nazan Eckes empfehlen ..„. Wenn es die Freundin von Nebenan empfiehlt, dann kann es ja nicht schlecht sein. Doch wo bleibt das Außergewöhnliche? Der Glanz und Glamour? Bei den Werbespots für die Autoindustrie ist zwar viel Kreativität mit im Spiel. Aber oft bleibt es beim kumpelhaften Vater, der das richtige Auto (für mich als Werbekunde) bereits fährt.
Zwischen Scripted-Reality-Sendungen und Werbespots herrscht schon seit längerer Zeit kein wesentlicher Unterschied mehr. Die gewollte Angleichung kann aber zur Gefahr für die Werbewelt werden. Denn dass Scripted-Reality-Formate nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss sind, wissen auch die Produzenten. Der Kostendruck zwingt die Macher allerdings zu diesem Unterschichten-Niveau. Und wieso mehr Geld investieren, wenn Fiction auch für die Hälfte geht.
Nun ist da aber auch die Werbung, welche sich nur unmerklich von diesem Unterschichten-Palaver unterscheidet. In beiden Formaten wird gelogen, werden Probleme um den Faktor 100 übertrieben dargestellt, wird der selbe belanglose Alltag gezeigt und die selben nichtssagenden Alltagsgesichter verwendet. Das Problem ist wohl, dass Werbeformate überoptimiert sind. Der Werbeindustrie ist der langweilige Nachbar von Nebenan lieber als ein Feuerwerk der Emotionen.
Scripted-Reality und die Erklärfilmchen aus der Werbung wachsen zusammen. Einer Studie nach soll die Platzierung in einem thematisch passenden Umfeld den Werbeeffekt extrem steigern. Doch was passiert, wenn der Zuschauer von den erfundenen und verlogenen Geschichten plötzlich die Nase voll hat? Irgendwann wird es selbst dem dümmsten TV-Konsumenten zu viel, den eigenen Alltag nochmals als übertriebenen Aufguss im Fernsehen zu erleben. Und dazu die alltagstaugliche Werbung. Das ist wie sich selbst beim Sex zuzuschauen. Anfangs vielleicht interessant, aber auf Dauer will man das nicht sehen.