Skandal-öse Lebensmittel

Zur Zeit wird uns wieder gründlich der Appetit verdorben. Dioxin in Eiern, Dioxin in Schweinefleisch und zuletzt Pestizide in Paprika. Es scheint so, als wäre es momentan egal, was wir essen – belastet ist alles. Das Verbraucherministerium scheint der Aufgabe auch nicht gewachsen zu sein. Frau Aigner kämpft an allen Fronten, doch insgeheim hat man das Gefühl, der Kampf ist aussichtslos. Außerdem wäre es zu billig, einzig und allen den Produzenten die Schuld zu geben. Der Verbraucher ist an der Misere genauso beteiligt.

Wir essen Fleisch in rauen Mengen und verzehren Paprika im Winter. Dem Verbraucher ist das Gefühl für die Lebensmitteln abhanden gekommen. Uns ist nicht bewusst, wie viel Zeit eine Sau eigentlich bräuchte, um natürlich heranwachsen zu können. Und das so entstandene Fleisch würde manchem Verbraucher auch nicht unbedingt gefallen: zu fettig, zu fest und eventuell nicht zu rosa in der Farbe. Den Begriff „Sonntagsbraten“ kennt zwar (noch) jeder, aber nur die Älteren wissen, was damit gemeint ist. Früher gab es nur Sonntags ein großes Stück Fleisch, weil Fleisch etwas besonderes war. Heute ist Fleisch zum alltäglichen und gewöhnlichen Lebensmittel degradiert. Für 60 Cent können wir an der Theke frisches(?) Hackfleisch kaufen. Im Discounter gibt es Nackensteak und sonderbar anmutende Chicken-Nuggets zum sprichwörtlichen Schleuderpreis. Uns ist bei vielen Lebensmitteln gar nicht mehr so recht bewusst, was wir uns da einverleiben. Hauptsache die Wampe ist danach satt gefüllt. Es könnten auch industriell aufbereite Abfälle sein; solange es toll aussieht und vom Marketing her gut gelungen ist, ist es dem Verbraucher wohl egal.

Bei den Paprika ist es nicht anders. Im Winter wachsen in unseren Breitengraden eben keine Paprika. Der Verbraucher möchte sie trotzdem. Also wachsen sie mühsam und unter Einsatz von viel Energie und Dünger im Gewächshaus. Man könnte für ein paar Monate im Jahr auch auf Paprika verzichten, aber was im Regal liegt, wird auch gekauft. Und da es auch in den Wintermonaten rote Paprika sein müssen, greifen die Produzenten zur Chemiekeule. Mit Pestiziden erreicht man auch ohne viele Sonne die knallrote Farbe. Was der Kunde wünscht, bekommt er auch.
Die Paprika bildet da nicht die Ausnahme. Auch Erbeeren oder Weintrauben müssten in den Wintermonaten nicht sein. Doch irgendwo auf der Welt wächst das Zeugs. Dem Verbraucher ist es egal, ob auf der Verpackung Deutschland oder Afrika steht. Und noch weniger Gedanken macht er sich über den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmittel,. „Dafür gibt es ja Kontrollen“ ist die vielfach beobachtete Reaktion.

Verstärkte Kontrollen. Das möchte auch unsere Frau Aigner durchsetzen. Vor allem fordert sie ein härteres Durchgreifen. Jawohl Frau Ministerin! Alle korrupten Lebensmittelpanscher werden nun erschrocken in den Stuhl fallen. Wir sind ja in der Vergangenheit aus dem Schaden klug geworden und auch die Produzenten achten seitdem mehr auf die eigenen Kontrollen. Oder wie war das damals mit dem Gammelfleischskandal? Oder den Pestiziden in allen möglichen Obst- und Gemüsesorten? Graue Schafe gibt es überall, immer und jederzeit wieder. Da helfen auch keine verstärkten Kontrollen und auch kein härteres Durchgreifen.

Der Verbraucher ist schon lange zum „Nutztier“ der Lebensmittelindustrie geworden. Unwissend und mit vollem Portmonee erobert er die Regale der Supermärkte. Die Verpackung gibt den ausschlaggebenden Kaufimpuls. Wir beschweren uns zwar, dass die Zutatenliste kaum zu verstehen ist. Doch die wenigsten lesen diese wichtige Information überhaupt. Und müsste man nicht auch ganz einfach sagen: was ich nicht kenne, esse ich nicht? Wenn von Dimethylether die Rede ist, sollte man wissen, was das ist. Oder ganz einfach das Produkt im Regal stehen lassen. Vielleicht wäre uns schon geholfen, wenn wir nicht jeden Fertigmampf auf den Tisch stellen würden. Eine industriell gefertigte Pizza bspw. kann und muss anders gefertigt sein, als wenn man die Pizza frisch zubereiten würde.

Es sind auch die immer gleichen Phrasen, die beim Thema Kochen fallen: das ist anstrengend, das benötigt Zeit oder wenn man wüsste, was und wie man kochen soll. Wir haben uns zu Sklaven der Industrie machen lassen. Nun müssen wir (vorerst) auch mit den Folgen leben. Ändern könnte man beim Thema Lebensmittel viel, nur dazu müsste der Verbraucher sich bewegen. Und sei es nur, dass ihm bewusst wird, wie viel Pflege ein Apfelbaum benötigt, um herrlich gesunde Äpfel gedeihen zu lassen. In diesem Sinne: Guten Appetit.

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Ein Kommentar

  1. Chapeau! Guter Beitrag. Ich empfehle „Eating Animals“ von Jonathan Safran Foer. Wer´s dann noch nicht kapiert hat – und da geht es nur um Fleisch! -, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Man wundert sich lieber über Krankheiten als über deren Ursachen. Na dann: Mahlzeit!

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