Immer wenn mehrere Menschen in den USA durch eine Handfeuerwaffe bzw. Pistole getötet werden, steigen merklich die Diskussionen an. Von einer Verschärfung des Waffenrechts wird gesprochen. Doch ebenso viele Amerikaner schwören auf ihr Recht der Selbstverteidigung. Und dann ist da noch eine starke Waffen-Lobby, welche einen jährlichen Umsatz von ca. eine Milliarde US-Dollar macht. Das amerikanische Recht auf Waffenbesitz schwindet ebenso langsam wie die Todesstrafe.
Aurora ist eine Vorstadt von Denver im US-Bundesstaat Colorado mit ca. 325.000 Einwohnern. Gestern sind davon 12 Menschen einem Amoklauf zum Opfer gefallen. Weitere 58 Menschen sind zum Teil schwer verletzt worden. Ein 24-Jähriger war unauffällig in ein Kino gelangt, hatte sich dort umgezogen und danach willkürlich in die Menge eines voll besetzten Kinosaals gefeuert. Aus seinem Sturmgewehr feuerte er mehr als 100 Schuss ab. Was auch bei dieser Tat gern übersehen wird: sie ist mehr Realität als Ausnahme.
Im Jahr 2010 starben 8.775 Menschen durch Schusswaffen. Die Zahl der Tötungen durch Schusswaffen ist zwar leicht rückläufig. Doch im Vergleich zu den Verkehrstoten (2011: 32.708 Tote) ist diese Zahl immer noch äußerst hoch. Erschreckend ist bei den Tötungen durch Schusswaffen auch die hohe Zahl der Selbstmörder. Mehr als 50 Prozent gehen auf Selbsttötungen zurück. Auf Platz zwei kommen die bewaffneten Raubüberfälle, bei denen entweder der Einbrecher getötet oder der Täter zum Mörder wird.
Um zu verstehen, wieso die Amerikaner ihr Recht auf Waffenbesitz derart verteidigen, muss man erkennen wo die meisten Fälle von Tötungen statt finden. Betroffen ist der komplette Süden der USA – vom Westen bis zum Osten. Zum einen ist hier der Anteil der Ausländer, Schwarzafrikaner und Lateinamerikaner höher als im Rest der USA. Zum anderen hat es im weitläufigen Süden große Farmen. Es liegt in der Sache der Natur, dass ein Farmer eher eine Waffe besitzt als ein Zahnarzt.
Das Empfinden und der Begriff von Freiheit wird in Amerika anders aufgefasst als in Europa. Hier in Mitteleuropa denkt man sofort an Reisefreiheit oder an Sozio-kulturelles wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Emanzipation und weitere Freiheiten. In den USA wird hingegen die Freiheit der eigenen Person sowie die Verteidigung von Haus und Hof sehr geschätzt. Dies genießt einen höheren Wert als das Leben einer fremden Person. Wenn man weiß, wie die USA vom Osten aus erkämpft und bevölkert wurden, kann man diese Denke ansatzweise verstehen. Eine mittlerweile starke Waffen-Lobby spielt diesem Gedanken zusätzlich in die Hände.
Die Diskussion über den Waffenbesitz ist in den USA so alt wie deren Herstellung. Wer eine Waffe und die dazu passende Munition kaufen möchte, kann dies in den allermeisten Bundesstaaten völlig problemlos tun. Man wird weder persönlich registriert noch muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ob nun ein 24-jähriger Psychopath sich mit Waffen eindecken möchte oder Oma was zur Selbstverteidigung benötigt, hinterfragt in den Waffenläden niemand. An die Einschränkung des Waffenbesitzes denken die wenigsten Amerikaner. Knapp 50 Prozent besitzen eine Waffe und haben diese zum Schutz vor Kriminalität. Gewalt mit Gewalt bekämpfen – dies ist der Grundgedanke der Amerikaner.
In den USA denkt man eher über stärkere Einlasskontrollen nach. Jedem seine private Waffe, notfalls muss eben vor dem Kino jeder durchleuchtet werden. Auch Schulen müssen extra von bewaffnetem(!) Personal überwacht werden.
Ein Waffenverbot müsste für die gesamte USA gelten und die Rechtsprechung müsste zudem revolutioniert werden. Wer jemand mit einer Waffe tötet, wandert ins Gefängnis. Unabhängig von den Beweggründen. Doch dies ist alles pure Phantasie in einem Land mit ca. 300 Millionen Schusswaffen. Als Außenstehender müsste man resigniert sagen: wenn jeder der 307 Millionen Amerikaner das Recht auf Töten hat, kann am Ende nur ein einziger überleben.