Privatversicherte genießen bei der medizinischen Versorgung etliche Vorzüge. Dies liegt zum größten Teil daran, da Ärzte bei Behandlungen zu den Höchstsätzen in der Gebührentabelle greifen können. An Privatpatienten verdient ein Mediziner leichter und besser als bei einem Kassenpatienten. Auch deshalb kennt die Beitragsentwicklung bei den Privatversicherten nur eine Richtung. Jedes Jahr steigen die Beiträge im Schnitt um 5 Prozent. Gründe, oder sollte man eher von Ausreden sprechen, haben die Privatversicherer viele.
Vor wenigen Tagen habe ich von meiner Versicherung wieder einer dieser unliebsamen Briefe erhalten. Man zuckt jedes Mal bereits im Vorfeld zusammen, wenn es um Vertragsanpassungen geht. „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, …“ Alles was danach folgt, ist es eigentlich nicht wert, gelesen zu werden; außer die neue Beitragssumme. Der Brief könnte auch beginnen mit „Ihre gierige Versicherung muss Ihnen leider mitteilen: pünktlich zum Jahresende müssen wir wieder einmal 5 Prozent mehr verlangen.“
Unter der Überschrift „Warum erhöhen wir Ihren Beitrag“ folgt eine satirische Heuchelei: „Wir wollen Ihnen auch in Zukunft eine hochwertige Versorgung mit erstklassigen Leistungen bieten. Der medizinische Fortschritt führt jedoch mitunter zu einem Anstieg der Gesundheitskosten.“ Der „Fortschritt“ ist eine Art Totschlagargument. In der Medizin schafft man es seit Jahrzehnten nicht, durch neuartige Behandlungsmethoden die Behandlungskosten sinken zu lassen. In jedem anderen Segment funktioniert die Kostenreduktion, nur im Gesundheitsweisen nicht. Und „mitunter“ kommt der Anstieg der Beiträge auch nie. Er kommt geradezu pünktlich jedes Jahr.
Als Versicherter habe ich eine andere Theorie, warum die hochwertige Versorgung zu horrenden Beiträgen führt. Der komplette Gesundheitssektor arbeitet bereits seit Jahrzehnten nach dem kapitalistischen Maximierungsprinzip. Die Kuh (= der Versicherte) wird so lange gemolken, so lange sie noch Milch gibt. Und offensichtlich ist im PKV-Sektor noch viel Geld vorhanden, welches man beim Versicherten abmelken kann. Ärzte geben darüber hinaus offen zu, dass sie die Einbußen aus dem Kassensegment mit Privatkassen-Patienten kompensieren müssen. Der PK-Versicherte finanziert den hohen Versorgungsstandard in der Republik. Auch fließt dadurch viel Geld von den Patienten in Richtung Pharmakonzerne.
Was sorgt in Wahrheit für die Beitragssteigerungen?
Bei den GKV gibt es aktuell 640.000 Nichtzahler und einen Rückstand von 1,53 Milliarden Euro. Die PKV hadern mit 144.000 Versicherten, die ihre Rechnungen schon längere Zeit nicht begleichen. Hier geht es um 554 Millionen Euro.
Quelle: PKV-Financial
Die säumigen Zahler verschärfen die Schieflage und sorgen zusätzlich für weiter steigende Beiträge. Zusätzlich erhalten die niedergelassenen Ärzte ab nächsten Jahr im Schnitt 2000 Euro mehr (pro Jahr). Auch die Pharmakonzerne freuen sich über milliardenschwere Gewinne.
Es ist keine Spur davon, dass der medizinische Fortschritt für die steigenden Kosten verantwortlich wäre. Das Geld wird durch das Gesundheitssystem einfach nur im großen Maßstab umverteilt. Denn mit Krankheit lässt sich immer gutes Geld machen, weil man den Patienten damit an einer sehr sensiblen Stelle trifft. Hier wird Sparen immer sofort mit massiven Qualitätseinbussen verstanden. Bei Krankheiten bzw. Behandlungen zu sparen, ist absolutes Tabu. Selbst wenn die Qualität dadurch gleich bleiben würde.
Wieso vertritt die Kasse eigentlich nicht meine Position?
Sollte es nicht der Grundgedanke einer Versicherungsgesellschaft sein, die Interessen der Versicherten zu vertreten? Schließlich bekommen sie deren Geld. Wieso geht die Rechnung nur Richtung Ärzte, Krankenhäuser und Pharmaindustrie? Wieso können und wollen die privaten Krankenkassen bei den Ärzten, Krankenhäusern und der Pharmakonzernen keinen Druck ausüben? Weil sie vielleicht selber Teil des Systems sind und hinten herum Anteilseigner an Aktienkonzernen sind? Oder nutzen die Versicherungsgesellschaften das System aus, um ihre eigenen Konten zu füllen? Investitionen in Fonds oder andere Unternehmen die wiederum im Gesundheitswesen angesiedelt sind?
Es ist Zeit für eine tiefgreifende Revolution im Gesundheitssystem. Doch erklären sie mal einer überfressenen Ratte, dass sie ab morgen zum Abspecken aufs Laufrad soll.